Pressemitteilung 2022/231 vom

Ellist, Youlaf, Mo und Stewa gehen noch in die Grundschule, aber sie diskutieren bereits mit Wissenschaftler:innen über Klimaforschung, gehen zu Demonstrationen für den Klimaschutz und finden Lösungen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag. Die vier Kinder sind die fiktiven Protagonist:innen in der eBook-Reihe „Klima.Leben“, die von Erziehungswissenschaftler:innen der Universität Leipzig entwickelt worden ist. Die Unterrichtsmaterialien für die Klassenstufen 1 bis 4 sollen Grundschulkinder befähigen, Lösungsstrategien für die Klimakrise zu entwickeln und die Zukunft souverän mitzugestalten. Projektleiterin Dr. Brunhild Landwehr erklärt im Interview, wie das Projekt Klimabildung an Grundschulen zum Thema macht und wie man mit Kindern über die Klimakrise spricht, ohne Ängste zu schüren.

Frau Dr. Landwehr, wird Klimaschutz an den Grundschulen in Sachsen ausreichend thematisiert? 

Der Klimawandel hat im sächsischen Lehrplan der Grundschule bislang keinen eigenen Stellenwert. In dem 2009 und 2019 teilweise überarbeiteten Lehrplan für den Sachunterricht ist lediglich angemerkt, dass „Klimawandel“ einbezogen werden soll. Eine inhaltliche Gestaltung oder Ausdifferenzierung wird nicht vorgenommen. Aber: In Sachsen gibt es die Initiative „Klimaschulen“, eine gemeinsame Initiative der Sächsischen Staatsministerien für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft sowie für Kultus. 29 Schulen in Sachsen wurden bisher als Klimaschulen zertifiziert, darunter bisher nur wenige Grundschulen. Das soll sich unter anderem mit dem von uns entwickelten Material in Zukunft ändern.

Kinder, auch schon in der Grundschule, nehmen die Klimakatastrophe wahr, sei es durch Fridays for Future-Demonstrationen, Medien, Elterngespräche. Sie wollen die Zusammenhänge verstehen. Sie sind absolut nicht verantwortlich für die heutige und zukünftige Situation der Erde, müssen aber mit den Konsequenzen leben. Und sie sind in der Zukunft aufgefordert, Lösungsstrategien zu entwickeln, solidarisch, verantwortlich und sozial gerecht allen Ländern und Menschen der Erde gegenüber. Dieses Bildungsziele – Fähigkeit zum Umgang mit Unsicherheiten, Leben in Solidarität, Lösungen in Kooperation – kann und sollte man in jungen Jahren anlegen.

Das von Ihnen entwickelte Unterrichtsmaterial für Grundschüler:innen steht unter dem Motto „Was wir für die Erde tun können“. Welche Möglichkeiten haben denn Kinder, sich für Klima- und Umweltschutz einzusetzen?

Das geht vom Herausfinden von „Energiefressern“ an der Schule mit anschließender Intervention bei Hausmeister und Schulleitung über das Anlegen von Gemüsebeeten im Schulhof bis hin zu Upcycling-Projekten. Wir wollen anregen zur kooperativen Suche, zum Nachdenken darüber, was wir tun können. Das Material liefert dazu Denkanstöße, sagt aber niemals, was die Kinder tun sollen oder gar müssen. 

In den eBooks findet man erfahrbare positive Beispiele: Schmeckt zum Beispiel eine Tomate aus dem eigenen Garten anders als eine aus dem Supermarkt? Es geht uns darum, dass die Kinder das Problem erkennen, dazu liefern wir Handlungsanlässe, Sachtexte, Illustrationen, Kunstdarbietungen, empirische Daten usw. Mit diesem Wissen sollen die Kinder dann gemeinschaftlich diskutieren und herausfinden, was sie tun können und möchten: Schreiben sie einen Brief an entsprechende Institutionen und Behörden? Diskutieren sie mit verantwortlichen Politikern, mit Eltern oder Geschäftsinhabern? Verändern sie eigenes Verhalten und fahren beispielsweise mit dem Fahrrad zur Schule statt mit dem Auto der Eltern?

Die Klimakrise ist für Kinder auch mit Ängsten verbunden. Wie gehen Sie in „Klima.Leben“ damit um und was würden Sie Eltern und Lehrpersonen diesbezüglich raten?

Das leitende Motto des erstellten Materials war: Wir zeichnen keine Horrorszenarien, sondern stellen möglichst viele positive Zukunftsszenarien dar oder fordern die Kinder auf, diese selbst zu erzählen. Wir wollen den jungen Kindern keine Ängste bereiten, sondern sie ihnen nehmen, indem wir aufzeigen, dass ein anderer Umgang mit Ressourcen und Konsum ein „gutes Leben“ bedeuten kann. Dieser Ansatz des „guten Lebens“ wird in erzählten Geschichten, in selbst erfahrbaren Rollenspielen und individuell zu gestaltenden ästhetischen Arbeiten aufgegriffen. Dabei können die Kinder Ängste einander erzählen, Lösungsansätze diskutieren und diese individuell in Handlungsstrategien umsetzen. 

Es geht darum, an positive Emotionen anzuknüpfen, ein Gemeinschaftsgefühl im Sinne von „gemeinsam können wir es schaffen“ zu implementieren. Die Kinder entwickeln selbst Geschichten, in denen sie sie sich eine Zukunft vorstellen, in der sich das Leben auf der Erde regeneriert. Es geht uns um das Ziel, Kreativität zu wecken, Lösungsstrategien zu entwickeln, Positives im Gemeinschaftlichen zu sehen. 

Das bedeutet für Lehrkräfte und Eltern: Den Kindern auf Augenhöhe begegnen, sie in ihren Plänen, Vorstellungen wie Ängsten ernst nehmen und ihnen Partizipationsmöglichkeiten einräumen.

Hintergrundinformationen:

Das Projekt „Klima.Leben“ wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Wissenschaftler:innen aus dem Bereich Grundschuldidaktik Sachunterricht an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig entwickelten innerhalb von zwei Jahren vier digitale eBooks, die sich rund um die „Klimakids“ Ellist, Youlaf, Mo und Stewa drehen. Das Material besteht aus je einem digitalen eBook für jede Klassenstufe, in dem Videos, Podcasts, Animationen und Glossare verlinkt sind, einem darauf abgestimmten Forschungsbuch als individuelles Arbeitsbuch für die Lernenden sowie einer Handreichung für Lehrkräfte.

Am Freitag, 9. Dezember 2022, 15 Uhr wird das Unterrichtsmaterial im Rahmen einer feierlichen Auftaktveranstaltung auf dem Campus Jahnallee (Marschnerstr. 31, Haus 3, Raum 025) den Vertreter:innen der Ministerien und allen Interessierten vorgestellt. Medienvertreter:innen sind herzlich willkommen.
Das Unterrichtsmaterial „Klima.Leben“ steht ab dem 9. Dezember 2022 auf www.klima.sachsen.de zum kostenlosen Download zur Verfügung.