Sie untersuchten gemeinsam mit Forschenden aus verschiedenen Ländern Möglichkeiten, das positive, prosoziale Potenzial dieser Kinder zu fördern. Dafür nutzten sie ein Interventionsprogramm zur Förderung von Prosozialität und Kooperation bei Rohingya-Flüchtlingskindern, die in einem Mega-Camp in Cox's Bazar, Bangladesch, leben. Ihre Erkenntnisse haben sie gerade in den neuesten Monographien der Society for Research in Child Development veröffentlicht.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das prosoziale Verhalten und das Wohlbefinden der Kinder nach der Intervention insgesamt zunahmen, wobei einige Vorteile bei schwer traumatisierten Kindern noch größer waren“, erläutert der Co-Autor der Studie, Tyler Colasante von der Universität Leipzig, der gemeinsam mit HumanKind-Direktorin Prof. Dr. Tina Malti an dem Forschungsprojekt mitwirkte. HumanKind und das Projektteam untersuchten die Widerstandsfähigkeit menschlicher Prosozialität angesichts extremer Widrigkeiten. Ihr Ziel war es, das Potenzial der Mädchen und Jungen für eine positive Entwicklung im Kontext von Konflikten, erzwungener Migration und Vertreibung sensibel zu fördern.
Die Interventionsstudie wurde im Zeitraum zwischen November 2021 und Januar 2022 mit Kindern im Alter zwischen 5 und 12 Jahren in drei Phasen durchgeführt. In der Pre-Interventionsphase wurden das prosoziale Verhalten der Kinder und damit verbundene kognitive und emotionale Entwicklungsprozesse erfasst. In der Interventionsphase wurde eine tägliche, drei Stunden dauernde Kleingruppenintervention durchgeführt. Dabei wurden Paare von Kindern in verschiedenen spielbasierten Aktivitäten beobachtet, etwa bei der Kooperation, zum Beispiel dem gemeinsamen Bauen mit LEGO, bei der emotionalen Perspektivübernahme, zum Beispiel beim Anhören von Geschichten und dem Beurteilen, wie sich die Charaktere in Situationen mit glücklichen und unglücklichen Ausgängen fühlten, und dem Training von kognitiven Fertigkeiten. In der Post-Interventionsphase wurden diese prosozialen Verhaltensweisen sowie kognitiven und emotionalen Prozesse erneut erfasst, um zu untersuchen, ob die Intervention zu einer Steigerung der Prosozialität und Kooperation geführt hat.
Unterschiede im Verhalten je nach erlebtem Trauma
Das prosoziale Verhalten der Kinder verbesserte sich nach der zehntägigen Intervention in den meisten Daten, wobei einige Unterschiede in Abhängigkeit vom relativ erlebten Trauma festgestellt wurden. Dieses wurde durch den Geburtsort bestimmt: in Myanmar mit einem hohen Maß an direkt erlebtem Trauma durch gewaltsame Konflikte, erzwungene Migration und das Leben im Flüchtlingslager oder im Lager mit einem niedrigeren Maß an direkt erlebtem Trauma während des Lebens im Flüchtlingslager. Im Vergleich zu den im Lager geborenen Kindern zeigten die in Myanmar geborenen Kinder eine stärkere Sensibilität für die emotionalen Aspekte von Situationen, in denen Unglück dargestellt wurde, und waren weniger geneigt, Verhaltenslösungen anzubieten. Diese Kinder zeigten auch ein höheres Maß an Großzügigkeit bei Aufgaben, die das Teilen erforderten, und neigten dazu, die Aufgabe für ihren Partner zu übernehmen, wenn Hilfsbereitschaft gemessen wurde. Im Lager geborene Kinder zeigten eher ihrem Partner, wie man die Aufgabe erledigt, wenn Hilfsbereitschaft gemessen wurde.
An dem gemeinsamen Forschungsprojekt, das unter der Leitung von Dr. Tara Callaghan von der St. Francis Xavier University (Kanada) stand, waren Mitglieder der Rohingya-Gemeinschaft, interdisziplinäre Forschende und Vertreter:innen globaler Organisationen für Flüchtlingsrechte beteiligt.
Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Myanmar. Nach jahrelanger Verfolgung flohen im August 2017 über 750.000 Rohingya aus Myanmar, die meisten von ihnen nach Bangladesch.
Originaltitel der Veröffentlichung in den Monographien der Society for Research in Child Development:
„Fostering Prosociality in Refugee Children: An Intervention With Rohingya Children (2024)“, doi.org/10.1111/mono.12477