Sie gelten als einer der größten Experten auf dem Gebiet der Topologischen Datenanalyse. Womit genau beschäftigen Sie sich?
Der wahrscheinlich markanteste Aspekt meiner Forschung war die Einführung von Ideen aus der abstrakten Mathematik in wirkungsvolle Methoden der Datenwissenschaft mit Anwendungen in der Biomedizin. Meine Forschung in der Topologischen Datenanalyse (TDA) hat zu neuen Ideen in der reinen Mathematik, neuartigen statistisch wirkungsvollen und prinzipientreuen Statistik-/Maschinenlernmethoden geführt, ebenso wie zu Anwendungen in der Biologie und der Medizin. Diese reichen von der Ableitung von Erkenntnissen zur Evolution aus physikalischen Merkmalen wie Knochen oder Zähnen bis hin zu medizinischen Anwendungen, etwa Methoden zur Verfolgung von niedriggradigen Gliomen – einem Hirntumor – bei Patienten.
Das Gebiet der Topologie ist ein Teilgebiet der Geometrie: Zwei beliebige geometrische Objekte sind äquivalent, wenn eines durch kontinuierliche Transformation ohne Schneiden oder Kleben in das andere transformiert werden kann. Seit dem späten 19. Jahrhundert war die Topologie der Kern vieler Durchbrüche in der Mathematik. Eine Schlüsselidee der Topologie sind unveränderliche Zusammenfassungen eines Objekts.
Ein Schlüsselaspekt, der in der TDA fehlte, war die Stochastik. Beispielsweise erfordert die Verwendung topologischer Zusammenfassungen, dass man Wahrscheinlichkeitsverteilungen basierend auf diesen Zusammenfassungen definieren kann. Als Wahrscheinlichkeitsforscher und Statistiker habe ich mich dieses Problems angenommen und mit Kollegen eine mathematische Grundlage für die Wahrscheinlichkeitstheorie zur Persistenzhomologie geschaffen.
Wie wollen Sie Ihre Expertise in die Forschung an der Universität Leipzig und am Max-Planck-Institut einbringen?
Ich werde eine Forschungsgruppe namens Inference and Learning aufbauen, die am Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence (ScaDS.AI) an der Universität Leipzig angesiedelt ist. Darüber hinaus werde ich über das Interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik (IZBI) mit der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten. Meine Forschung hat drei Schwerpunkte: die mathematischen Grundlagen von Inferenz und Lernen am Max-Planck-Institut, methodische Innovationen für Inferenz und Lernen bei ScaDS.AI sowie Anwendungen in der Biomedizin über die Kooperationen in der Medizinischen Fakultät über IZBI.
Wie lange werden Sie in Leipzig forschen?
Hoffentlich bis zur Rente.
Welches Ziel haben Sie sich für Ihre Forschung in Leipzig gesetzt?
1. Leipzig zu einem der weltweit führenden Standorte für mathematische Grundlagen der Datenwissenschaft zu machen.
2. Ich möchte intensive Forschungsverbünde mit der Medizinischen Fakultät entwickeln und den effektiven Einsatz von KI mit einer begrenzten Zugangsbarriere in der biomedizinischen Forschung ermöglichen.
3. Die KI-Community davon überzeugen, dass die Forschung zur Integration der bayesschen Inferenz mit moderner KI von grundlegender Bedeutung für die KI und eine der nächsten großen Ideen ist.
Wo steht Deutschland Ihrer Meinung nach beim Thema Künstliche Intelligenz im weltweiten Vergleich?
Deutschland hat ein starkes KI-Programm mit dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme als Beispiel für ein international renommiertes Zentrum. Es gibt auch mehrere andere. Ich war sehr beeindruckt von den systematischen Bemühungen in Deutschland, KI aufzubauen, einschließlich Forschung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Mechanismus, über den KI einen großen Einfluss auf die Gesellschaft hatte, waren Partnerschaften zwischen Universitäten und Unternehmen. Ein Beispiel in Großbritannien ist Deepmind. Diese Art der Zusammenarbeit findet in Deutschland in der Größenordnung aber nicht statt. Natürlich ist Vorsicht geboten, da Technologieunternehmen und Universitäten nicht die gleichen Ziele verfolgen, aber in der KI haben Kooperationen zwischen Universitäten und Technologieunternehmen das Innovationstempo und die Geschwindigkeit, mit der Innovationen in Produkte umgesetzt werden, verändert.
Gemeinsam mit Prof. Meiler und weiteren Forschenden arbeiten Sie am Aufbau eines „Center for Medicine Innovation“ (CMI), das Medizintechnik, Digitalisierung und Arzneimitteldesign zusammenführt. Welche Vision haben Sie von diesem Zentrum?
Unsere Vision ist es, ein Zentrum für Technologietransfer, Innovation, Mitarbeiterschulung mit nachhaltigen, flexiblen Teams aufzubauen, das sich auf die Technologie, das Gesundheitswesen und die Industrie in Sachsen auswirken wird. Meine persönlichen Beiträge zum CMI werden sich darauf konzentrieren, modernste KI-Methodik für Produkte der personalisierten Medizin anzuwenden und integrierende Analysen zu entwickeln, die Medizintechnik, Digitalisierung und Arzneimitteldesign zusammenführen, um die Entwicklung von Produkten, wissenschaftlichen Inhalten und die Ausbildung einer KI-fähigen Belegschaft zu unterstützen.
Die Fragen stellte Susann Huster.