Nach einer SARS-CoV-2-Infektion leiden viele Menschen am Long Covid Syndrom. Die Betroffenen müssen Schwäche, Konzentrationsstörungen, Atemnot und andere körperliche Beschwerden in unterschiedlich starker Ausprägung ertragen. Bisher sind sowohl die Krankheitsmechanismen als auch die Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausreichend erforscht.
Wissenschaftler:innen an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Leipzig fanden heraus, dass eine Störung der cholinergen Neurotransmission eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Long Covid spielen könnte. Das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus weist eine hohe Affinität zu cholinergen Rezeptoren auf, was zu einer Blockade dieser wichtigen Signalwege im Nervensystem führen kann. Diese Mechanismen könnten nicht nur die kognitiven Beeinträchtigungen und die sogenannte Gehirnnebel-Symptomatik erklären, sondern auch zahlreiche weitere Symptome wie Fatigue, eine Form von Kraftlosigkeit, Atemnot, Autoimmunreaktionen und Gefäßdysfunktionen.
Im Rahmen des Heilversuchs wurde durch den gezielten Einsatz von Nikotin über die Haut eine signifikante Verbesserung der neurologischen Symptome, insbesondere der Sprachstörungen, bei einer Long-COVID-Patientin erzielt. Diese Effekte wurden mittels des bildgebenden Verfahrens der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) anschaulich dargestellt. Erstautor Dr. Marco Leitzke, Oberarzt am Department für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin der Helios Klinik Leisnig, erklärt: „Wir haben die Patientin vor und nach der Nikotinpflaster-Therapie bildgebend untersucht. Die Auswertung der PET-CT/MRT-Bilder zeigt eindrucksvoll, dass das Nikotinmolekül die Rezeptoren von dem viralen Spike-Protein befreit und so die physiologische cholinerge Neutransmission wieder ermöglicht hat.“
Behandlung mit Nikotinpflastern weiter untersuchen
Dank der Unterstützung des Freistaates Sachsen gibt es an der Klinik für Nuklearmedizin in Leipzig die Möglichkeit, mit einem hochmodernen Ganzkörper-PET-CT, den Körper von Kopf bis Schenkelmitte gleichzeitig bildgebend zu beobachten. „Mit Hilfe dieses modernsten aller derzeit verfügbaren PET-CTSysteme hatten wir die Möglichkeit, die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren der Patientin im Rahmen eines Heilversuchs vor und nach Therapie sichtbar zu machen“, erläutert Prof. Dr. Osama Sabri, Seniorautor des Artikels und Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin. In Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf haben die Wissenschaftler den sogenannten „Nikotinrezeptortracer“ für die Darstellung der Rezeptoren mit der PET entwickelt.
Unter Leitung von Prof. Dr. Osama Sabri arbeitet das Team in der Nuklearmedizin, insbesondere Prof. Dr. Swen Hesse als Leiter der Arbeitsgruppe Neuro-PET, gemeinsam mit den Experten für Bild- und quantitative Datenauswertung, Dr. Georg Becker und Dr. Michael Rullmann, seit mehreren Jahren an der Darstellung dieses speziellen Rezeptorsystems im Hirn. Die Untersuchungen können dank des neuen PET/CT-Systems auf den gesamten Körper ausgedehnt werden.
Basierend auf den neuen Erkenntnissen plant das Forschungsteam, die Behandlungsmöglichkeit mittels der Nikotinpflastertherapie weiter zu untersuchen, um neue therapeutische Optionen für Betroffene von Long Covid zu entwickeln.