Unter Rückgriff auf verschiedene Methoden aus den Kulturwissenschaften, der Geschichte und der Ethnologie konzentriert sich die Forschung im Cluster Practice sowohl auf den Bereich des Alltäglichen wie Wohnungseinrichtungen, Kleidung, Körperpflege oder Ernährung als auch auf den Bereich des Festlichen (rituelle Gegenstände, Hochzeitskleider, Rosch-Haschana-Karten usw.).
Es wird untersucht, wie sich die Beziehung zwischen der jüdischen Diaspora und ihrer Umgebung in der Art und Weise ausdrückt, wie Juden und Jüdinnen Objekte entsprechend dem Geist bestimmter Zeiten und Regionen produzierten und konsumierten. Auf welche Weise trugen Objekte (nicht) dazu bei, regionale Zugehörigkeiten von Juden und Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert zu festigen? Wie konnten Objekte zu verlässlichen Ankern werden, um historische und biografische Brüche zu überbrücken, die durch Migration und Exil entstanden?
Der Cluster wird sich auf die Herstellung, Nutzung und Umnutzung von Objekten und damit auf alltägliche und außeralltägliche Gebrauchsweisen konzentrieren und nach deren Veränderungen im Kontext der Moderne fragen. Dabei wird der Schwerpunkt auf verkörperte Praktiken (Kirshenblatt-Gimblett 2005) gelegt, um die sinnlichen und affektiven, aber auch geschlechtergeschichtlichen Dimension von Routinen des Objektgebrauchs in den Blick zu nehmen.
Die genaue Untersuchung der vielfältigen Praktiken der Nutzung und Umnutzung von Objekten ermöglicht es, jenseits essenzialisierender Vorstellungen von „jüdischen Objekten“ nach den Prozessen der Aneignung, Modifizierung und Übersetzung von Praktiken und Bedeutungen zu fragen. In Anlehnung an Michel de Certeau interessiert sich das Cluster für „Taktiken“, die oft die Absichten der Produzent:innen bestimmter Objekte unterwandern und den Konsum als eine aktive Praxis sichtbar machen, in der Objekte durch das Handeln verschiedener Akteure verändert werden und gleichzeitig Zugehörigkeiten qua Objektgebrauch schaffen (Möhring 2012; Schrire 2023).