Durch den Rückgriff auf Objekte werden verschiedene Phänomene des individuellen und kollektiven Gedächtnisses anschaulich und verständlich gemacht. Sowohl bestehende als auch ästhetisch hervorgerufene Objekte können Erinnerungsprozesse auslösen, formen oder unterbrechen, insbesondere aufgrund ihrer emotionalen Wirkung auf das menschliche Subjekt.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Poznań, former synagogue (1907)
Poznań, former synagogue (1907). Foto: Archiwum "Roweromaniaka wielkopolskiego" No_414-27

Die Verbindung zwischen Materialität, Erinnerung und Affektivität steht daher im Zentrum des Clusters Memory, das die Rolle der jüdischen materiellen Kultur bei der Gestaltung des Gedächtnisses und der Post-Erinnerung des Holocausts in verschiedenen historischen und nationalen Kontexten und Erzählungen untersucht. 

Die Materialität hat von Anfang an eine zentrale Rolle in der Erinnerungskultur zum Holocaust gespielt: In den Vernichtungslagern war der Körper keine philosophische Abstraktion, sondern könnte als grundlegende, fundamentale Materialisierung der Realität der Lager betrachtet werden: Die gewaltsame Fragmentierung des Subjekts wurde in den Körper eingeschrieben und hinterließ irreparable Spuren. Das Überstehen des Lagers wurde zur buchstäblichen „Materialisierung“ des eigenen Todes. Betrachtet man den Körper als lieu de mémoire, ermöglicht er uns, in die Vergangenheit einzudringen und Zugang zu Erfahrungen zu erhalten, die aufgrund der extremen Natur des erlittenen Leids verborgen und verdrängt wurden. 

Neben dem Körper zielt dieser Cluster Memory darauf ab, Erinnerung durch die Annäherung an Überreste und Ruinen des jüdischen Lebens nach dem Holocaust zu rekonstruieren. Ziel ist es, die vielfältigen Kontexte zu identifizieren, in denen das Leben und Nachleben jüdischer Objekte in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Ende des Kommunismus eine affektive Kraft auf Individuen und Gesellschaften ausübt.. Im Fokus steht das Nachdenken über das Schicksal und die Nutzung von Objekten, um ihre Bedeutungen innerhalb verschiedener Formen jüdischer Erinnerungskultur zu untersuchen und die Implikationen jüdischer Abwesenheit in europäischen Gesellschaften nach dem Holocaust zu erforschen. Gegenstand der Untersuchung sind sowohl historische Diskurse als auch unterschiedliche Medien wie literarische Texte, Memoiren, Autobiografien, Filme und Fotographien. Diese repräsentieren Modi der Beziehung zu den Lebenswelten anderer, der Kontinuität zwischen Generationen, der Brücken zwischen individuellen und kollektiven Geschichten und der Verbindungen zwischen menschlicher Zivilisation und Natur.