1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Meine ersten Tage waren aufregend. Ich bin in meinem Leben - als Kind türkischer Eltern und gebürtiger Neuköllner - nicht regelmäßig auf die Idee gekommen, irgendwann mal an der Universität zu studieren. Für mich war es deshalb spannend, die ersten Tage an der Universität zu erleben. Ich hatte durchaus Respekt und habe mich gefragt, ob ich dem Studium intellektuell gewachsen bin.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Angesichts der Tatsache, dass ich in der Studienzeit - gemeinsam mit meiner Frau - drei Kinder großgezogen habe, würde ich sagen: unerwartet leicht. Das Studium der Politik- oder Sozialwissenschaften lässt sich ehrlicherweise nicht mit dem Studium vergleichen, das Naturwissenschaftler erleben.

3. Was würden Sie studieren, wenn Sie heute noch einmal studieren könnten? Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt?

Nein, Politik und Gesellschaft sind meine Leidenschaft - ich habe mich auch ohne Studium mit den Themen beschäftigt. Man könnte sagen: Ich hatte mein Hobby zum Beruf / Studium gemacht.

4. Womit konnte man Sie immer vom Lernen abhalten?

Wenn ich das Gefühl hatte, zugenommen zu haben, bin ich mit Sicherheit erstmal ins Fitnessstudio - und die Noten waren dann zweitrangig.

5. Welche Motivationen haben Ihre Studien- und Berufswahl bestimmt?

Ich wollte früher in die Politik gehen und meinen Kindern ein finanziell abgesichertes Leben ermöglichen. Vorurteile über die Taxifahrer-Sozialwissenschaftler habe ich nicht ernst genommen.

6. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Jede Station war mir wichtig. Für den ersten Schritt war ich dankbar, weil man seinen Fuß nach dem Studium einmal in die Tür quetschen muss. Und danach hatte ich durchaus Arbeitgeber, die teilweise eher mittelprächtig waren; wofür ich aber auch dankbar bin, weil ich dadurch meine aktuelle Arbeitgeberin, die Sächsische Aufbaubank, besonders schätzen kann. Im Schlechten steckt manchmal der Keim für das Gute.

7. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Ja! Im Recruiting und Employer Branding muss man ein Bewusstsein für gesellschaftliche und politische Zustände, Interdependenzen und (mögliche) Entwicklungen haben. Wenn ich um dem demografischen Wandel weiß, kann ich mein Recruiting entsprechend anpassen. Wenn ich um die politischen Bedingungen in Sachsen weiß, kann ich mein Employer Branding entsprechend anpassen usw.

8. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Seit kurzer Zeit darf ich eher strategisch-konzeptuell arbeiten. Ich habe das Glück, Teil eines fantastischen Teams und wunderbarer Führungskräfte zu sein, die mir Möglichkeiten geben. Dadurch lerne und entdecke ich derzeit relativ regelmäßig neue Dinge. Ich arbeite derzeit an internen Schulungskonzepten, suche extern Partner, mit denen die SAB zusammenarbeiten kann, schreibe potenzielle Kandidaten über LinkedIn und XING an, um die auf Ausschreibungen der SAB aufmerksam zu machen oder bin im Austausch mit internen Stakeholdern, um bestimmte Maßnahmen oder Ideen umzusetzen. Der Arbeitsalltag ist also sehr bunt gefächert.

9. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • Eigenverantwortung: Man muss sich als Beschäftigter in der SAB trauen, Verantwortung zu übernehmen (und übernehmen zu wollen!), wenn man etwas bewegen will. 
  • Komplexitätsbewältigung - Teil 1: Die Dinge sind in einer Anstalt des öffentlich Rechts, die gleichzeitig Bank ist, manchmal etwas verschlungener und komplexer.
  • Komplexitätsbewältigung - Teil 2: Manchmal muss man die Dinge aus der Vogelperspektive betrachten. Manchmal aus der Sicht des rationalen Individuums. Man hat Stakeholder. Man hat Richtlinien, Vorgaben und Hierarchien.

10. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps)?

Persönlichkeit schlägt Fachlichkeit. Wer als Recruiter arbeiten will, muss aktiv auf Menschen zugehen können. Muss den Telefonhörer in die Hand nehmen
können. Muss manchmal hartnäckig sein. Den Rest kann man lernen. Deshalb mein Tipp: Im Vorstellungsgespräch in den aktiven Austausch mit Führungskräften gehen. Rückfragen stellen. Zeigen, dass man sich beschäftigt hat, dass man mitdenkt, dass man einen wachen Geist hat. Genauso im Job. Wer einsteigt und nur abarbeitet, verliert langfristig (jedenfalls, wenn man aufsteigen will). Für Negativbeispiele gibt es im Englischen eine fiese (aber treffende) Formulierung: The lights are on, but nobody is home.

11. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger:innen mit auf den Weg geben?

Mach dir nicht so viele Sorgen - du wirst deinen Weg gehen, alles wird gut. Alleine die Tatsache, dass du studierst, macht dich schon zu einem Gewinner. Man lernt an der Uni schließlich auch Dinge für die Seele. Das verlierst du nie wieder.

Persönliche Angaben

  • Name: Cem Dursun
  • Studiengang: Politikwissenschaft und Soziologie
  • Jahr der Immatrikulation: 2011
  • Jahr der Exmatrikulation: 2017
  • Heutiger Arbeitgeber: Sächsische Aufbaubank

(Interview Stand September 2024)