1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?
Ich habe zwei mal in Leipzig studiert, siehe Frage 3. 1991 war an der Uni noch einiges im Umbruch nach der Wende. Vieles war erst im Aufbau begriffen. Ich erinnere mich noch an Studentenzahlen von 700 pro Semester und entsprechend übervolle Hörsäle. Insbesondere die Bibliothekssituation bei den Rechtswissenschaften war katastrophal. Im Jahre 2000 hatte sich vieles positiv verändert, die Organisation war für die Studenten sehr viel einfacher geworden, außerdem hatte sich natürlich die Ausstattung der Uni deutlich verbessert. Vor allem Email und Internet hatten inzwischen vieles einfacher gemacht.
2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?
Die schönste Zeit meines Lebens. Die Mischung aus Freiraum und Gefordert-Werden ist einzigartig. Jeder sollte das genießen. In einem Seminar haben mal Kommilitonen gestöhnt, weil das irgendwie anstrengend war uns sie ins Wochenende wollten. Ich habe ihnen nur gesagt, dass sie sich noch nach der Zeit zurücksehnen werden, in der es ihre größte Sorge war, Freitag nachmittags im philosophischen Seminar zu sitzen. Fast jeder ehemalige Student, der jetzt im Berufsleben steht, wird das bestätigen.
3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Ja, ich habe an meiner Studienwahl gezweifelt. Leider habe ich die Konsequenzen zu spät gezogen.
Entgegen meinem ursprünglichen Studienwunsch Philosophie habe ich mich 1991 von meinen Eltern überreden lassen, Rechtswissenschaft zu studieren. Nach dem komplett abgeschlossenen Jurastudium und einem Jahr als Rechtsanwalt habe ich aber eingesehen, dass das die falsche Wahl war. Im Jahr 2000 habe ich mich dann entschlossen, noch einmal komplett neu anzufangen und habe Philosophie studiert (Magister, 2. Hauptfach Logik und Wissenschaftstheorie). 2007 habe ich auch dieses Studium erfolgreich abgeschlossen.
4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?
Siehe 3. Anfänglich zu wenig meine persönlichen Interessen und zu viel die Vorgabe der Eltern. Beim zweiten mal nur noch meine persönlichen Neigungen.
5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?
Zunächst natürlich die Tätigkeit als Rechtsanwalt. Nach meiner beruflichen Umorientierung habe ich die Reklamationsabteilung eines IT-Versandhandels geleitet, war dann anschließend Assistent der Geschäftsführung und schließlich selbst Geschäftsführer. Nach Differenzen mit dem Inhaber habe ich gekündigt und bin nunmehr in der Schiffsausrüstung tätig, im weiteren Sinne als Assistent der Geschäftsführung.
6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?
Mein Studium hat mit meiner jetzigen Tätigkeit eigentlich nichts mehr zu tun. Was man aus dem Studium noch nutzt ist eher das, was man heute mit Soft Skills bezeichnen würde. Selbstvertrauen, Eigenverantwortlichkeit und die Fähigkeit, sich selbständig und schnell in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten.
7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?
Die Hälfte der Zeit bin ich im normalen Tagesgeschäft tätig, typische Bürotätigkeit: Auftragsabwicklung, Einkauf und Verkauf. Die andere Hälfte des Tages nehmen Sonderaufgaben ein. Das reicht von der Betreuung des Webshops über Reorganisation des Lagers bis hin zur Bearbeitung von rechtlichen Fragestellungen und Kundenbetreuung.
8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?
Leistungsbereitschaft, Kollegialität und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?
Als Quereinsteiger sollte man sich anfangs für nichts zu schade sein. Eine Bekannte von mir sagte mal „Die ersten zwei Jahre musst Du Dreck fressen.“ So schlimm würde ich es zwar nicht ausdrücken, aber etwas Wahres ist da dran. Gerade als Geisteswissenschaftler muss man Vorbehalte überwinden, man wäre nicht praxistauglich. Also in einer „normalen“ Firma bloß nicht den Studierten raushängen lassen. Das „von unten Hocharbeiten“ funktioniert auch heute noch. Praktika am Anfang sind ok, aber nur, wenn sie ausdrücklich die Eignung für eine bestimmte Stelle prüfen sollen. Und unbezahlt keinesfalls länger als einen Monat. Lieber eine richtige Anstellung, auch befristet.
10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?
Studiert nichts, worauf ihr nicht wirklich Lust habt. Denkt daran, dass ihr das nicht nur studiert, sondern in dem Fachbereich auch viele Jahre arbeiten müsst. Man kann sich hinterher zwar immer noch verändern, aber das kann mit sehr langwierigen und schmerzhaften Entscheidungsprozessen verbunden sein. Lasst euch nicht in ein Studium drängen, das ihr nicht wollt. Das klingt sehr pathetisch und wie aus einem schlechten amerikanischen Film, ist aber trotzdem wahr. Und wenn ihr merkt, dass euch der gewählte Studiengang doch nicht liegt, dann solltet ihr ihn rechtzeitig wechseln. Einen Wechsel im Studiengang nach zwei oder drei Semestern kann man im Lebenslauf durchaus glaubhaft erklären.
Persönliche Angaben
- Name: Uwe Schöneberg
- Geburtsjahrgang: 1972
- Studiengang: Philosophie und Rechtswissenschaften
- Jahr der Immatrikulation: 1991 Rechtswissenschaft, 2000 Philosophie
- Jahr der Exmatrikulation: 1997 Rechtswissenschaft, 2007 Philosophie
- Heutiger Arbeitgeber/Position:Lohmann Schiffsbedarf, Assistent der Geschäftsführung
(Interview Stand Juni 2013)