1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?
In der Einführungsveranstaltung zum Magister Germanistik wurden wir an der Tafel mit dem Spruch begrüßt: „Ihr geisteswissenschaftliches Studium betrachteten sie als perfekte Vorbereitung auf die Arbeitslosigkeit. Sie lernten mitfreier Zeiteinteilung, innerer Leere und sozialer Degradierung umzugehen.“ Zusammen mit Hunderten anderer Erstsemestern in einem völlig überfüllten Hörsaal war das keine aufmunternde Begrüßung. Die Kampf um Sitz- oder Stehplätze in Vorlesungen und Seminaren hat leider auch in den nächsten Jahren nicht aufgehört, allerdings war es das perfekte Training sich selbst zu organisieren, zu motivieren und seinen eigenen Weg zu finden.
2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?
Ich habe studiert, was mich interessiert hat, ohne bei der Wahl auf spätere Berufsperspektiven zu achten. Jede einzelne Vorlesung und jedes Seminar hat mir Spaß gemacht und ich konnte immer etwas für’s Leben mitnehmen. Leipzig als Stadt mit den vielfältigen kulturellen Angeboten, Bars und Diskotheken ist eine tolle Umgebung, um den Horizont zu erweitern. Leider habe ich die vielen studentischen Vereine erst sehr spät in meinem Studium entdeckt. Die studentische Unternehmensberatung Campus Inform e.V. hat mir ein großes Netzwerk an Freunden, Perspektiven und Chancen gegeben – die Mitgliedschaft war eine meiner besten Entscheidungen.
3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Ja, in der zweiten Hälfte des Studiums fast täglich. Ich habe mich nach sinnvollen Ergänzungen zu meinem Studium umgeschaut. Daraufhin bin ich der studentischen Unternehmensberatung Campus Inform beigetreten und habe mich in Projekten als Berater ausprobiert. Durch den dachverband JC Network habe ich die Mitstreiter für die G8&G20 Youth Summits – die junge Stimme zu den G8 und G20 Gipfeln kennengelernt und wir haben den Verein Policy Innovation e.V. gegründet, der nun internationale Gipfeltreffen für Studierende zu Themen der Weltpolitik organisiert. Nach meinem Magister Abschluss habe ich mich entschieden, noch einen Master in Philosophy & Economics anzuschließen. Der Master war genau auf meinen Berufswunsch ausgerichtet und somit das perfekte
Sprungbrett ins Berufsleben.
4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?
Beim Magisterstudium: Interessen. Spaß an den Themen und die Überzeugung, dass letztendlich nur ein guter Studienabschluss und meine außeruniversitären Aktivitäten zählen – nicht das Studienfach.
Beim Masterstudium: Interessen. Spaß an den Themen und das Wissen, das deutsche Unternehmen in der Wirtschaft gerne einen Zettel über die Qualifikation des Bewerbers haben möchten.
5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?
- Magisterstudium in Leipzig
- Mitgliedschaft in der Studentische Unternehmensberatung Campus Inform e.V.
- Aufbau und Vorstand des Vereins Policy Innovation e.V.
- Masterstudium in Bayreuth
- Praktikum bei Siemens in Deutschland und den USA
6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?
Ein klares Jein. Als Compliance Officer brauche ich einen gut geeichten ethischen Kompass, dafür konnte ich aus dem Philosophiestudium einiges mitnehmen. Die Inhalte aus Germanistik und Logik & Wissenschaftstheorie brauche ich in meinem Berufsalltag eher nicht, aber die soft skills, die ich in beiden Studiengängen ausbilden konnte, sind unverzichtbar. Das Semester Rhetorik, dass für Magister Germanistik verpflichtend war, hilft mir heute noch, wenn ich Trainings gebe.
7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?
Den gibt es nicht. Dafür gibt es viele Mitarbeiter mit vielen Fragen, die eine Antwort von mir haben möchten. Fast jede Anfrage ist ein Einzelfall, dessen Lösung aus den Standardregeln abgeleitet werden muss. Dazu kommen viele Excel Tabellen und PowerPoint Präsentationen. Da ich in einer global arbeitenden Geschäftseinheit bin, sind meine Arbeitszeiten sehr unterschiedlich. Mein Team ist über den Globus verstreut, meine Chefs sitzen in Belgien den USA. Mein Arbeitsfokus ist zwar Deutschland, aber ich habe einige globale Aufgabenfelder. So kann es sein, dass auch morgens um 6 Uhr Anfragen aus Asien kommen oder abends um 10 Uhr noch etwas mit den USA abgestimmt werden muss.
8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?
Analytisches Denken, gute Kommunikations- und Mediationsfähigkeit, Überzeugungskraft
9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?
- Praktikum in dem Bereich, bestmöglich bereits auch bei dem Unternehmen
- Eine Bewerbung die zeigt, dass man mit Office umgehen kann
- Ein Lebenslauf, der zeigt, was in einem steckt
- Ein Netzwerk von Mentoren
10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?
- Engagiere dich neben dem Studium (nicht nur in Praktika)
- Teste deine Interessen, Abneigungen, Stärken und Schwächen
- Genieß die Studienzeit und hab es nicht zu eilig, ins Berufsleben einzusteigen
Persönliche Angaben
- Name: Jessica Hofmann
- Geburtsjahrgang: 1982
- Studiengang. Germanistik, Logik & Wissenschaftstheorie, Philosophie
- Jahr der Immatrikulation: 2002
- Jahr der Exmatrikulation: 2008
- Heutiger Arbeitgeber/Position: Compliance Officer, Siemens Industry Software GmbH & Co KG
Compliance Officer sorgen bei Siemens für die Einhaltung gesetzlicher und unternehmensinterner Regelungen mit besonderem Schwerpunkt auf Anti-Korruption und Wettbewerbsrecht. Sie sind dabei sowohl Fachexperte, Vermittler zwischen den Parteien, als auch „Hüter des Gesetzes“.
(Interview Stand Juni 2013)