1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?
Meine beiden Studienfächer haben sich mir in der ersten Semesterwoche sehr unterschiedlich präsentiert. Während ich das musikwissenschaftliche Institut als überschaubaren, ja fast familiären Ort erleben konnte, wurden die Erstsemstler in der Philosophie mitten ins kalte Wasser geworfen. Von den Mitgliedern des Fachschaftsrates der Musikwissenschaft wurden wir mit ausführlichen Einführungsveranstaltungen begrüßt; in der Philosophie warteten lediglich völlig überfüllte Hörsäle auf uns.
2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?
Die Freiheiten, die die damaligen Magisterstudiengänge geboten haben, waren eigentlich wunderbar. Die wenigen Vorgaben, die die Studienordnung gemacht, konnte man sehr gut nutzen, um zu eigenen thematischen Schwerpunkten zu finden. So war es auch möglich, nach dem 7. Semester mal eine Auszeit von den Lehrveranstaltungen zu nehmen. Ich habe das genutzt, um in einem mehrmonatigen Praktikum auch mal etwas Berufserfahrung zu sammeln; letztlich hätte ich das aber schon viel früher tun sollen.
3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Gerade in der Philosophie kam das immer wieder mal vor. In den ersten Semestern hätte man sicher noch abbrechen und ein anderes Zweitfach wählen können; nach einer gewissen Studiendauer ist das aber kaum noch sinnvoll. Grundsätzliche Zweifel kamen freilich auch immer dann, wenn man mal wieder über die Berufsaussichten in den geisteswissenschaftlichen Fächer nachgedacht hat.
4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?
Wenn man gerade von der Schule kommt, überlegt man sich ja eigentlich nicht, womit man die nächsten 40 Jahre seine Brötchen verdienen will. Man sucht eher nach einem Studienfach, bei dem man das Gefühl hat, mehr von dem lernen zu können, was einem im Moment interessiert. Jedenfalls war das bei mir so.
5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?
Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass letztlich die Praktika, die ich gemacht habe, die wichtigste Weichenstellung waren – und das in zweierlei Hinsicht. Erstens hat man einen Eindruck von dem bekommen, was man mit einem musikwissenschaftlichen Studium im Berufsleben anfangen kann. Zweitens hat man Kontakte zu möglichen späteren Arbeitgebern aufbauen können. Wenn man sich nach dem Studium dann entschieden hat, in der Wissenschaft weiterzuarbeiten, ist eine Promotion eigentlich obligatorisch. Das ist dann noch mal ziemlich zeitintensiv und hat bei mir vier Jahre gedauert.
6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?
Ohne das Musikwissenschaftsstudium wäre ich freilich nicht am Bach-Archiv gelandet. Die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens habe ich an der Universität gelernt und natürlich habe ich hier auch einen viel breiteren Überblick über musikhistorische Zusammenhänge bekommen, als das vorher der Fall war. Die konkreten Arbeitsinhalte an einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut waren hingegen nie Gegenstand der Ausbildung. Das sind Sachen, die man erst in der Praxis lernt.
7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?
Das ist eine gute Mischung aus Forschungsarbeit in historischen Archiven und Bibliotheken, der Auswertung und Ausarbeitung der dort gewonnenen Forschungserkenntnisse, die dann am Schreibtisch im Büro erfolgt, und letztlich auch der Präsentation der Ergebnisse dieser Arbeit auf Symposien und Konferenzen. Da die historischen Musikaliensammlungen aus der Bachzeit heute in aller Welt verstreut liegen und die Forschergemeinschaft international ist, ist man dabei auch viel in der Welt unterwegs.
8. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege,
Bewerbungstipps, etc.)?
Über Praktika, über Arbeitserfahrungen als studentische Hilfskraft oder über die Zusammenarbeit mit uni-externen Wissenschaftlern im Rahmen von Abschlussarbeiten.
9. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?
Man sollte sich von den klischeebeladenen Berufsaussichten der Geisteswissenschaftler nicht abschrecken lassen und die Studienwahl nicht nur danach entscheiden, wo man später den vermeintlich bestbezahlten oder sichersten Job bekommt. Die Geisteswissenschaften sind besser als ihr Ruf.
Persönliche Angaben
- Name, Vorname: Bärwald, Manuel
- Geburtsjahrgang: 1983
- Studiengang: Musikwissenschaft und Philosophie (Magisterstudium)
- Jahr der Immatrikulation: 2003
- Jahr der Exmatrikulation: 2009
- Heutiger Arbeitgeber/Position: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bach-Archiv Leipzig
(Interview Stand Januar 2015)