1. Warum haben Sie damals in Leipzig Ihr Studium begonnen?
Leipzig bedeutete für mich etwas Neues, etwas Anderes, etwas Aufregendes. Nach meinem Grundstudium wollte ich einfach noch eine andere Stadt erleben. Ich habe im Oktober 2004 mit 25 Jahren von Münster nach Leipzig gewechselt und bin dort ins 7. Semester Medien- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Psychologie eingestiegen. Ich habe eine Stadt mit einer alternativen Szene und ein qualifiziertes Studium erwartet und bekommen.
2. Wie würden Sie Ihr Studium zusammenfassen?
Mein Studium beinhaltete Freunde, Politik, Disput, Hausarbeiten, Stress, Spaß, Angst, Wohnungssuche, Party, Erfahrungen, Bildung, Sitzungen, WGs, Fachschaftsrat, Diskussion, Lachen, Weinen, Liebe, Organisation, Prüfungen, Freiheit, Job, Mensa und vieles mehr…..
3. Können Sie sich vielleicht noch an Ihre Immatrikulation und Ihren ersten Eindruck von der Universität Leipzig erinnern?
Fünf Stunden Zugfahrt von Münster nach Leipzig, das Studium begann in zwei Wochen und ich hatte noch kein WG-Zimmer! Ich schlenderte durch einen baufälligen Innenhof, wo sich grünen Unkrautbüscheln ihren Weg durch den grauen Betonboden bahnten und in dem sich in jeder Ecke Studierende mit Kaffee und Zigarette herumdrückten. Ich verlief mich in dem verzwickten Seminargebäude, in dem einzelne Deckenplatten fehlten und das den Charme einer lang beanspruchten Lehranstalt ausstrahlte. Bei der Einschreibung fragte mich dann die Dame hinter dem Tresen: „Welchen Bereich der Medien- und Kommunikationswissenschaften möchten sie denn als Schwerpunkt wählen?“ Bereich? Schwerpunkt? Innerhalb von zwei Minuten entschied ich mich für PR/Öffentlichkeitsarbeit. Und bis heute habe ich diese Bauchentscheidung nicht bereut!
4. Können Sie uns Ihren beruflichen Werdegang kurz skizzieren?
Vor meinem Studium habe ich drei Jahre lang in sozialen Projekten gearbeitet: Assistenzlehrerin, Einzelbetreuung, Kunst- und Theaterprojekte. Ich habe mir mein Studium in Münster und Leipzig durch zahlreiche Jobs finanziert, die meinen beruflichen und persönlichen Werdegang stark geprägt haben. Angefangen von einer Referatsstelle im AStA der Uni Münster, über die Arbeit in einem Jugendtreff, bis hin zu meiner Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei Greenpeace und meinem halbjährigen Praktikum bei amnesty international im Bereich Kampagnen. Nicht immer hatten meine Nebenjobs mit meinem Interesse an Öffentlichkeitsarbeit, Sozialem und Politik zu tun. Als das Geld knapp wurde, schenkte ich auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt Feuerzangenbowle aus. Nach dem Abschluss habe ich beim Naturschutzbund (NABU) in Berlin mit Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit begonnen, aber mich dann doch für eine Stelle in der politischen Kommunikation entschieden und bei der LINKEN angefangen.
5. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrer jetzigen Tätigkeit und Ihrem Studium? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?
Ich tue tagtäglich das, was ich studiert habe. Natürlich bietet die Praxis andere Herausforderungen und erwartet neue Qualifikationen, aber das Studium in Leipzig hat mich sehr gut auf meinen Beruf vorbereitet. Natürlich macht in der PR – wie fast überall - nur Erfahrung den Meister, aber der Grundstock wurde im Studium gelegt.
6. Gab es Zufälle, Situationen, Begegnungen mit bestimmten Personen, die Ihren beruflichen Werdegang besonders geprägt haben?
Geprägt hat mich, dass ich gezwungen war, neben meinem Studium zu arbeiten und so immer wieder neues auszuprobieren. Aber ganz besonders beeinflusst hat mich die hochschulpolitische Arbeit. In meiner ersten Studienwoche in Münster bin ich sofort zum Fachschaftsrat gegangen, um dort mitzuarbeiten. Meine Engagement im AStA der Uni Münster und später im StuRa der Uni Leipzig verlangte viele Fähigkeiten von mir: Ich lernte Sitzungsführung, Protokollschreiben, Reden halten, mit Konflikten und schwierigen Menschen umgehen, Partys für über 2.000 Menschen organisieren und vieles mehr. All das hilft mir noch heute in meiner täglichen Arbeit.
7. Gab es Umstände im Studienbetrieb, die Sie im Nachhinein für verbesserungswürdig halten?
Ich halte die gezwungene Selbstorganisation im Magisterstudium für sehr wichtig. Aber manchmal stellt einen die Koordination von drei Fächern, die nicht miteinander vernetzt sind, vor schier unlösbare Aufgaben: Seminare liegen gleichzeitig, Prüfungen überschneiden sich. Die baufällige Uni und die Interimslösungen erleichterten zu meiner Zeit das Studium nicht gerade. Vieles hat sich jetzt jedoch geändert. Obwohl das Bachelor-System nicht nur positives biete. Zeitdruck, viele Prüfungen, wenig Selbständigkeit und ein verschulter Alltag prägen das Studium heute. Schauen wir, was die Zukunft bringt….
8. Welche Methoden haben Sie angewendet, um Prüfungsangst zu überwinden?
Überwunden habe ich sie wohl nie, aber das war in meinem Fall auch nicht zwingend nötig. Ein wenig Angst und Anspannung hat mich meistens zu Höchstleistungen angetrieben. War ich gut vorbereitet, konzentrierte ich mich immer auf das schöne Gefühl, was ich nach der Prüfung haben würde. Einmal führten verschiedene Umstände dazu, dass ich nur drei Tage Zeit hatte, um für eine Abschlussprüfung zu lernen. Die Einstellung „Was hab ich schon zu verlieren?“ verhalf mir tatsächlich zu einer guten Note.
9. Was verbindet Sie heute mit der Universität Leipzig?
Mich verbindet mit der Uni, aber vor allem auch mit der Stadt Leipzig die Erinnerung an eine aufregende, schöne Zeit. Ich habe das Studium genossen und auch das Studentin sein. Trotz aller Unsicherheiten und Zweifel hat mir diese Suche nach meinem beruflichen und persönlichen Weg viel gegeben.
10. Was würden Sie den heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Genießt die Zeit! Schnell ist nicht immer gut. Praktika und Auslandsaufenthalte helfen euch bei der Entscheidung was ihr später wirklich machen wollt. Wenn ihr nach einem Praktikum sagt: „Das will ich nicht machen!“, seid ihr schon einen Schritt weiter und hängt keinen verklärten Vorstellungen nach. Nutzt das Studium für eure persönliche Entwicklung – nicht nur in Fragen der beruflichen Qualifikation. Als Leiterin des Bereiches Bürgerdialog, Medien und Öffentlichkeitsarbeit bei der LINKEN stelle ich jetzt selber neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Glaubt ihr tatsächlich, dass mich eine eins im Abschlusszeugnis beeindruckt? Vielmehr achte ich darauf, was euch Einzigartig macht, eure Persönlichkeit ausmacht. Also hängt nicht immer über den Büchern!
Persönliche Angaben
- Name: Julia Marg
- Geburtsjahr: 1979
- Studiengang: Magister Kommunikations- und Medienwissenschaft, Soziologie und Psychologie
- Jahr der Immatrikulation: 2004
- Jahr der Exmatrikulation: 2008
- Heutiger Arbeitgeber/Position: Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE, Leiterin Bürgerdialog, Medien, Öffentlichkeitsarbeit
(Interview Stand Juni 2013)