1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Ich war beeindruckt von dieser großen und geschichtsträchtigen Universität mit vielen neuen Gebäuden, auch wenn durch die vielen Neubauten zahlreiche Übergangslösungen nötig waren.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Ich versuche es mal in ein paar Adjektiven: Intensiv, wegweisend, unvergesslich – und obwohl ich mir Zeit gelassen habe, eindeutig zu kurz ...

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ja: Konferenzdolmetschen Arabisch ist ein sehr schwerer Studiengang. Gerade am Anfang fühlte ich mich teilweise überfordert. Außerdem bin ich eher der wissenschaftliche Typ; der Studiengang war aber sehr praxisorientiert. Trotzdem habe ich nicht das Handtuch geworfen. Ich bin zwischendurch ein Jahr ins Ausland, um meine Sprachkenntnisse zu perfektionieren. Das war nicht nur ein sehr prägendes Erlebnis für meinen weiteren beruflichen Werdegang; danach war auch das Studium einfacher.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Generell hege ich eine große Begeisterung für die arabisch-islamische Welt. Das hat für mein Studium die Richtung vorgegeben. Für meinen Masterstudiengang habe ich mich entschieden, weil ich sehr gut Arabisch sprechen können und ein „Handwerk“ erlernen wollte, um ggf. ein weiteres Studium bzw. meinen Lebensunterhalt selbst finanzieren zu können. Punkt 1 habe ich erreicht; Punkt 2 hatte sich recht bald erledigt, da ich schnell merkte, dass ich nicht als Dolmetscherin arbeiten will. Deshalb bin ich beruflich auch in eine andere Richtung gegangen.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Das Auslandsjahr während meines Masters, das ich in der Zeit des arabischen Frühlings in Ägypten absolvierte, weckte meine Faszination für Politik und den Wunsch, selbst politisch aktiv zu werden. So kam ich nicht nur zu meinem Praktikum im Auswärtigen Amt, sondern auch zur SPD, für die ich im Wahlkampf 2013 als Teamerin arbeitete. Danach konnte ich als Projektmanagerin Aus- und Weiterbildungsprojekte in Ägypten organisieren und lernte den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kennen: Das alles waren großartige Möglichkeiten, um Berufserfahrung zu sammeln. Ich habe viele Fertigkeiten gewonnen und Professionalität gelernt.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Abgeordnetenbüro im Deutschen Bundestag bin ich Quereinsteigerin unter Politikwissenschaftler(-inne)n und Jurist(-inn)en. Trotzdem kann ich Gelerntes aus meinem Studium nutzen: Ich arbeite inhaltlich zu Flucht, Migration und Integration. Da hilft mir mein Wissen über die Herkunftsländer der Menschen, die zu uns kommen. Außerdem kann ich z.B. die Erfahrung im Umgang mit Sprache allgemein und mit verschiedenen Textgenres wie Reden, Interviews etc. nutzen. Und manchmal ist es tatsächlich gut, dass ich Arabisch kann, wenn z.B. Geflüchtete einen Brief auf Arabisch schicken oder ein Praktikum bei uns machen.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

Typisch für meine Arbeit ist, dass es keinen wirklichen Alltag gibt. Es kommt darauf an, ob Sitzungswoche ist oder nicht. Mal bearbeite ich hauptsächlich E-Mails und Briefe am Computer, mal koordiniere ich Termine und Presseanfragen, empfange Besuchergruppen, schreibe eine Rede oder begleite meine Chefin zu Sitzungen und Veranstaltungen. Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich und genau das macht sie so spannend.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

Entscheidungen treffen zu können und Prioritäten setzen, Sprach- und Wortgewandtheit, Intuition und gute Menschenkenntnis.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

Man braucht auf jeden Fall politisches Interesse. Gut ist, wenn man fundierte Kenntnisse in einem inhaltlichen Thema hat. Außerdem sollte man sich schon während des Studiums ehrenamtlich engagieren und gut netzwerken können. Und ohne etwas Glück geht es natürlich auch nicht ...

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Ich finde, dass man das Studium nicht ernster nehmen sollte als nötig. Gute Noten sind wichtig, aber lange nicht alles. Man sollte unbedingt die Zeit des Studiums nutzen, um persönlichen Interessen nachzugehen. Diese Freiheit hat man später im Berufsleben nicht mehr. Und gerade für die Geistes- und Sozialwissenschaften ist ein vielseitiges Profil, das man durch die Aktivitäten nebenher bekommt, sehr wichtig. Meiner Erfahrung nach sollte man das tun, wofür man wirklich brennt. Denn Leidenschaft für eine Sache kann in Kombination mit ein bisschen Glück und Zufall ungeahnte berufliche Perspektiven eröffnen.

 

Persönliche Angaben

  • Name: Valerie Köbele
  • Geburtsjahrgang: 1985
  • Studiengang: B.A. Islamwissenschaft (Freiburg i.Br.) und M.A. Konferenzdolmetschen Arabisch (Leipzig)
  • Jahr der Immatrikulation: 2009
  • Jahr der Exmatrikulation: 2013
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Wissenschaftliche Mitarbeiterin einer SPD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag

Interview Stand Mai 2017