Pressemitteilung 2023/142 vom

Herzrhythmusstörungen nach einem Schlaganfall sind besonders gefährlich, denn sie können leicht eine erneute Attacke auslösen. Das Vorhofflimmern erhöht das Risiko für Schlaganfälle um das Fünffache. Um durch eine verbesserte Diagnose der Herzrhythmusstörungen neue Schlaganfälle zu verhindern, untersuchen Wissenschaftler:innen aus Leipzig, Mainz und Göttingen in einer der größten klinischen Studien in Deutschland mehr als 5.000 Patient:innen mit einem kürzlich erlittenen Schlaganfall. Prof. Dr. Rolf Wachter, Professor für Klinische und Interventionelle Kardiologie an der Universität Leipzig und Stellvertretender Klinikdirektor der Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, leitet die Studie. Im Interview klärt der Experte auch über die Tücken des Vorhofflimmerns auf.

Herr Professor Wachter, Ihr aktuelles Forschungsprojekt zur Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft weitere drei Jahre und nun mit insgesamt 13,8 Millionen Euro unterstützt. Sie ist damit die aktuell höchst von der DFG geförderte klinische Studie in Deutschland. Warum ist das Thema so relevant für die Bevölkerung? 

„Keine Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems fürchten die Menschen so wie den Schlaganfall. Der wesentliche Grund ist vermutlich, dass danach das Leben oft ein völlig anderes als vorher ist und man in seinen körperlichen Funktionen sehr eingeschränkt sein kann oder dauerhaft auf Hilfe anderer angewiesen ist. Wir wissen, dass ein Viertel der Schlaganfälle durch die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern hervorgerufen werden. Bei diesen Patientinnen und Patienten bilden sich Blutgerinnsel im linken Herzvorhof. Durch eine Blutverdünnung, die sogenannte Antikoagulation, kann das Risiko um etwa Zweidrittel gesenkt werden.“

Warum gibt es dann immer noch viele Schlaganfälle bei Patient:innen mit Vorhofflimmern, obwohl man weiß, wie sie verhindert werden können?

„Die Erkrankung Vorhofflimmern ist oftmals tückisch. Sie tritt nämlich nicht dauerhaft auf, sondern nur ab und zu. Es kann also passieren, dass man bei einer Patientin oder einem Patienten ein Elektrokardiogramm (EKG) schreibt, das kein Vorhofflimmern zeigt, und trotzdem kann dieser Mensch ein paar Stunden, ein paar Tage oder auch ein paar Monate davor oder danach Vorhofflimmern haben.“

Sie forschen seit 15 Jahren in diesem Themengebiet und führen seit vier Jahren die eingangs erwähnte große klinische Schlaganfallstudie durch. Wie genau läuft diese ab?

„Die Studie heißt Find-AF 2, Finding Atrial Fibrillation in Stroke Patients 2. Insgesamt 5.200 Patientinnen und Patienten, die innerhalb der letzten 30 Tage einen Schlaganfall erlitten haben, werden an dieser Studie teilnehmen. Die eine Hälfte bekommt eine verlängerte, verbesserte und intensivierte Herzrhythmusüberwachung, die andere Hälfte der Patientinnen und Patienten die aktuell übliche Standardversorgung. Die Herzrhythmusüberwachung findet sowohl mit Langzeit-EKG-Geräten, die allerdings über eine Woche und mindestens einmal im Jahr angelegt werden, sowie mit kleinen implantierbaren Ereignisrekordern statt, die den Herzrhythmus dauerhaft aufzeichnen. Innerhalb von drei Jahren sind trotz Corona-Pandemie über drei Viertel der benötigten Patientinnen und Patienten an 51 Studienzentren in ganz Deutschland gefunden worden. Wenn durch diese Maßnahmen Vorhofflimmern gefunden wird, bekommen die Betroffenen nach einem Schlaganfall nahezu immer Blutverdünner verschrieben. Wir glauben, dass wir durch diese intensivierte Suche bei vielen Patientinnen und Patienten das Vorhofflimmern so früh finden, dass wir etwa jeden fünften erneuten Schlaganfall verhindern können.“

Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich am Ende dieses groß angelegten und bundesweiten Forschungsprojekts?

„Wir werden vermutlich im Frühjahr nächsten Jahres alle 5.200 Patientinnen und Patienten gefunden haben. Die Teilnehmenden der Studie werden dann noch für zwei Jahre nachverfolgt. In der zweiten Jahreshälfte 2026 werden wir wissen, ob unser Ansatz in der Lage ist, das Risiko erneuter Schlaganfälle in Deutschland um 20 Prozent zu senken.“