150 Operationen in diesem Jahr
Etwa 100 dieser Operationen führt Prof. Dr. Arne Dietrich mit seinem Team jedes Jahr in Leipzig durch – in diesem Jahr werden es 150, also fast jeden zweiten Tag eine. „Adipositas nimmt in Deutschland weiter zu und wir operieren leider nur die Spitze des Eisberges“, erzählt der Chirurg. Das heißt nicht, dass er mehr Patienten operieren möchte, denn die beste Operation sei immer noch die, die man nicht machen müsse, so Dietrich. „Die Adipositas-Chirurgie ist bislang die einzig effektive nachhaltige Therapie. Es gibt weder eine Diät noch eine Tablette, die wirklich langanhaltend zu Gewichtsreduktion führt. Wir reden hier von Patienten die 150 bis 200 Kilogramm wiegen – sie müssen bis zu 100 Kilo Gewicht verlieren. Die erreicht man mit einer Diät nicht.“
Von Schlauchmagen bis Magenbypass
Zu den bekanntesten adipositaschirurgischen Eingriffen zählt das Magenband, das heute aber nicht mehr eingesetzt wird, da es langfristig dem Patienten weniger hilft. Beim Gros der Operationen wird ein Schlauchmagen gebildet oder ein Magenbypass gelegt. Beide Eingriffe begrenzen die Nahrungsaufnahme: Es passt weniger in den Magen hinein, der Patient ist schneller satt und hat weniger Hunger. Während beim Schlauchmagen ein Großteil des Magens irreversibel entfernt wird und nur noch ein wasserschlauchstarker Teil bleibt, lässt sich ein Magenbypass theoretisch wieder zurückoperieren. Der Chirurg trennt bei dieser Variante den Magen durch, sodass ein kleiner Vormagen, reichlich daumengroß, entsteht. Vor dort aus wird die Nahrung umgelenkt: Durch das Bypassen, also das Überbrücken, wird der Zwölffingerdarm aus der Passage genommen.
Konservative Therapie muss ausgeschöpft sein
Arne Dietrich will vor allem die Lebensqualität seiner Patienten verbessern. Sie ist bei stark Übergewichtigen sehr eingeschränkt, auch die Lebenserwartung ist deutlich geringer. Auf Dietrichs OP-Tisch liegen Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) ab 40 beziehungsweise ab 35 mit Begleiterscheinungen wie Diabetes. Ab einem BMI von 25 gilt man als übergewichtig, ab 30 als adipös. „Doch bevor wir operieren, müssen die Patienten die konservative Therapie ausgeschöpft haben, das heißt sie müssen nachweisen, dass sie über einen gewissen Zeitraum versucht haben, eine Diät zu halten und sich sportlich zu ertüchtigen“, erklärt Prof. Dietrich.
Nach OP 60 bis 80 Prozent des Übergewichts verloren
Wie schnell und wie viel die Patienten nach einer Operation abnehmen, ist individuell unterschiedlich. Im Mittel verlieren sie in den in den ersten ein bis zwei Jahren nach der OP 60 bis 80 Prozent ihres Übergewichts, das meiste innerhalb der ersten sechs Monate. „Ich sage immer, wir operieren den Bauch, nicht den Kopf“, so Dietrich. „Jeder hat es mit seiner Lebensweise dann in der Hand, sein Leben nach der OP zu gestalten.“ Denn auch nach dem Eingriff muss die Ernährung umgestellt und regelmäßig Sport getrieben werden. Arne Dietrich verrät, dass sich auch das Geschmacksempfinden ändert: weniger Appetit auf hochkalorische und süße Speisen.
Zwei klinische Studien laufen parallel
Doch der Professor steht nicht nur im OP, er forscht auch im Bereich der Adipositaschirurgie. Aktuell laufen zwei klinische Studien am IFB: Die eine will herausfinden, ob Kraftsport nach einem Bypass-Eingriff effektiver ist als Ausdauersport. Die andere fragt nach den Auswirkungen unterschiedlicher Schlingen, in die der Bypass bei der OP gelegt wird. „Wir untersuchen bei beiden Studien auch, wie sich Darmbakterien entwickeln, die wohl eine entscheidende Rolle spielen. Sie beeinflussen, wer adipös wird, wer noch Diabetes bekommt oder nicht. Wir untersuchen auch das Fettgewebe und die Leber, um die ganze Komplexität der Adipositas zu erfassen.“