Pressemitteilung 2002/101 vom

Wichtige Nachricht für Pflanzenzüchter: Wissenschaftler der Universität Leipzig haben ein neues, Zeit und Kosten sparendes Verfahren zur Ermittlung von Stressfaktoren wie UV-Strahlung, Ozon und Herbizidbelastung bei Kulturpflanzen entwickelt.

Die Biotechnologie ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Neben vielen Einsatzmöglichkeiten, wie z. B. in der Medizin, wird sie auch in der Pflanzenzüchtung eingesetzt. Im Vordergrund der Bestrebungen steht hier die Erzeugung von Pflanzen mit definierten Eigenschaften. So bemühen sich die Züchter z. B. darum, Bananen mit einer besonders langen Haltbarkeit oder Früchte mit einem hohen Vitamingehalt zu erzeugen. Mit Hilfe der pflanzlichen Biotechnologie ist man heute in der Lage, auf sehr zeitsparende Weise identische Pflanzen herzustellen. Hat man eine Pflanze gefunden, die sich durch die gewünschten Merkmale auszeichnet, ist man in der Lage, mit Hilfe des Klonens beliebig viele Pflanzen mit denselben Eigenschaften zu erzeugen. Neben den gewünschten Charakteristika kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch unerwünschte und für die Pflanze mitunter schädliche Merkmale mitgezüchtet wurden. Wichtig für die Pflanzenzüchter ist der Widerstand der Kulturpflanzen gegen bestimmte Stressfaktoren wie UV-Strahlung, Herbizidbelastung und Ozon.

Da unter Sommer-Smog-Bedingungen Ozon eines der stärksten Pflanzenschadgase in Bodennähe ist, muss auf die Züchtung von Pflanzenvarietäten Wert gelegt werden, die weitestgehend resistent gegen diese erhöhten Ozonkonzentrationen sind. Auf der anderen Seite schützt die Ozonschicht hoch oben in der Stratosphäre die Biosphäre in Bodennähe vor schädlicher UV-Strahlung. So können sich lokale Ozonlöcher, wie sie z. B. vor zwei Jahren in Thüringen auftraten durch die erhöhte UV-Belastung, verheerend auf die Fichtenbestände oder Nutzpflanzen dieses Gebiets auswirken. Wichtig ist auch hier die Züchtung von resistenten Pflanzenvarietäten.

Ob Pflanzen gegen einen Schadstoff besonders empfindlich sind, muss durch Screening-Untersuchungen getestet werden. Das traditionelle Screening, d. h. das Durchmustern der Pflanzen auf ein bestimmtes Merkmal, erfolgt über mehrere Stufen: Anlegen von Versuchspflanzungen, Belasten der Pflanzen mit dem Schadstoff, das Ernten der Pflanzen nach einem bestimmten Zeitraum und die Auswertung, bei der Größe, Gewicht und Aussehen der Pflanzen ermittelt werden. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, sind mindestens 10 Pflanzen erforderlich. Die Testpflanzen müssen außerdem noch mit Pflanzen verglichen werden, die ohne den Schadstoff, aber unter ansonsten gleichen Bedingungen aufgewachsen sind. Dieser Vorgang ist insgesamt sehr zeit- und personalaufwändig und deshalb auch kostenintensiv.

Um diese Nachteile zu reduzieren, hat Professor Dr. Christian Wilhelm vom Institut für Allgemeine Botanik der Universität Leipzig gemeinsam mit Dr. Matthias Gilbert ein neues Screening-Verfahren entwickelt, das erlaubt, den Einfluss der drei Stressfaktoren auf die Pflanze zu untersuchen. Wichtig ist dabei, dass genau angegeben werden kann, welcher der drei genannten Stressfaktoren in welchem Umfang auf die Pflanze gewirkt hat. Es ist also eine "Differentialdiagnose" zu stellen. Die beiden Leipziger Forscher nutzen dabei den Vorgang der Thermolumineszenz aus. Voraussetzung für dieses Verfahren ist die Fähigkeit bestimmter Pigmente, wie sie bei Pflanzen vorkommen, Licht verschiedener Wellenlängen zu absorbieren.

Als lichtabsorbierendes Pigment der Pflanze dient das Chlorophyll. Mit dessen Hilfe wandeln die Pflanzen bei der Photosynthese Wasser und das Kohlendioxid der Luft in Biomasse und Sauerstoff um. Bei dem neuen Verfahren werden nun unter Laborbedingungen Blätter - in diesem Fall von Tomaten und Gerste - normalem Tageslicht ausgesetzt und gleichzeitig auf 0 bis 3 °C heruntergekühlt. Das Licht wird unter diesen Bedingungen zwar vom Chlorophyll aufgenommen, aber die Photosynthese läuft stark verlangsamt ab. Danach erfolgt unter Ausschluss von Licht das Erhitzen der Blätter auf 70 bis 80 °C. Das aufgenommene Licht wird dabei in bestimmten Wellenlängen wieder abgegeben. Dieser als Thermolumineszenz bezeichnete Vorgang kann mit speziellen Geräten gemessen werden. Es entstehen so genannte Glühkurven. Die Leipziger Forscher konnten nachweisen, dass sich die Glühkurven für Ozon, UV-Licht und Herbizidbelastung stark unterschieden, sodass eindeutig festzustellen war, welcher Stressfaktor auf die Pflanze gewirkt hat.

Wichtige Nutzungsmöglichkeiten sind mit dieser neuen Untersuchungsmethode denkbar. So wird den Pflanzenzüchtern in Kürze ein Gerät zur Verfügung gestellt werden können, mit dessen Hilfe der Einfluss z. B. von UV-Licht auf die spätere Entwicklung der Pflanzen schnell und sicher bestimmt werden kann. Ein weiterer Vorteil des Verfahren ist, dass die Untersuchungen mit sehr wenig Pflanzenmaterial - es wird etwa 1 cm2 Blattfläche benötigt - und mit wenig Personal durchgeführt werden können. Als weitere Einsatzmöglichkeiten ist die Überprüfung des Einflusses von Schadstoffen auf Ökosysteme, wie z. B. den Wald, zu nennen.

Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Leipziger Firma Fischer Analysen durchgeführt wird, wird vom Bundesministerium für Forschung mit rund 550.000 Euro gefördert. Die Forschungen laufen noch bis Mitte 2003.