Pressemitteilung 2004/061 vom

Die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters der Universität Leipzig hat in enger Kooperation mit dem Förderschulzentrum für Erziehungshilfe Leipzig eine umfassende Längsschnittstudie zu verhaltensauffälligen Kindern durchgeführt für deren Fortführung Sponsoren gesucht werden.

Sie sind laut- sie sind unaufmerksam - sie streiten- sie provozieren und sie demolieren, so sind sie, die Kinder und Jugendlichen, die man als verhaltensauffällig bezeichnet. Oft lassen sie sich schwer in ihren Strukturen halten, oft machen sie es den sie umgebenden Personen schwer, sie zu führen und auszuhalten. Schnell haben sie eine sogenannte "Schwarze Schaf-Position" inne.

Aber warum sind sie so? Was fehlt oder fehlte ihnen? Oder wovon haben oder hatten sie zuviel? Wie fühlen sie sich selbst, was denken sie über sich und die Umwelt, was erwarten sie von den anderen, was denken sie über ihre Zukunft, wie entwickeln sie sich?

Darüber etwas zu erfahren und dies gezielt zu analysieren wurde Anliegen einer sehr umfassenden Längsschnittstudie, die die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters in enger Kooperation mit dem Förderschulzentrum für Erziehungshilfe Leipzig durchführt. In diesen Förderschulbereich werden Kinder eingegliedert, die einer besonderen Unterstützung bedürfen, die sie hier erfahren. Für einen begrenzten Zeitraum werden sie aus dem Spannungsfeld ihrer Regelschule herausgenommen und ihre individuelle und schulische Entwicklung durch förderpädagogische Maßnahmen ergänzt.

Die begleitende Studie sieht es als Notwendigkeit und gleichzeitig als Ziel, die Gefühls- und Gedankenwelt der als verhaltensauffällig erkannten Kinder zu erkennen und zu verstehen. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Überlegungen zum Bildungswesen und auch so schrecklicher Ereignisse wie in Erfurt oder Meißen scheint es sehr bedeutsam, darüber mehr zu wissen. Man muss auch der Frage nachgehen, ob nur die Heranwachsenden auffällig sind, die es durch ihr Tun nach außen oft eindrucksvoll beweisen oder ob es nicht auch viele gibt, die innere Probleme wie Ängste, Einsamkeitsempfindungen, mangelhaftes Selbstwertempfinden u.ä. haben, die aber dem Umfeld oft nicht so markant auffallen.

Unter diesem Blickwinkel wird seit 1994 von der o. g. Klinik der Universität Leipzig eine Längsschnittstudie zur Persönlichkeitsentwicklung verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher durchgeführt. Mit einem multimodalen Methodeninventar werden die Heranwachsenden zu drei Untersuchungszeitpunkten erfasst. Bisher konnten 305 Kinder beurteilt werden. Die bisherigen Auswertungen lassen bereits sehr interessante Aussagen zu den Entwicklungsverläufen erkennen, die durch die zur Zeit noch andauernde Vervollständigung der Erhebung wichtige theoretisch fundierte Ergebnisse erwarten lässt. Diese sind als Fundament für allgemeine pädagogische und insbesondere förderpädagogische Arbeit wie auch in der interdisziplinären Kooperation wirkungsvoll nutzbar.

Die Einbeziehung der die Schüler im Förderschulbereich betreuenden Klassenlehrer wurde als sinnvoll gesehen, stellen sie doch für die Kinder in wirkungsvoller Weise eine wichtige Kontaktperson dar, die man meist akzeptiert, mit der man sich zwar regelmäßig reibt, die aber für die Strukturgebung unerlässlich ist. Mit den eingesetzten Methoden ermöglicht die Studie einen direkten Vergleich zwischen dem Selbstbild des Schülers und dem Fremdbild durch den Lehrer. Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild können im pädagogischen Geschehen erzieherisch genutzt werden. Die Schüler unserer Studie erleben sich zum einen zunehmend unaufmerksam, aggressiver und delinquenter, sie äußern zum anderen aber auch zunehmende soziale Probleme sowie Ängste und Depressivität.

Die in die Studie einbezogenen Lehrer äußern Beobachtungen, die mit denen der Schüler überraschend hoch übereinstimmen. Dies beweist u. a., dass Lehrer mit hoher Professionalität und Sensibilität die realen Probleme ihrer Schüler erkennen und dabei auch verdeckte Störungen wahrnehmen.

Die neben den anderen Verfahren durchgeführten Interviews lassen den Schülern viel Raum, um über ihre eigenen Gedanken, Vorstellungen und Orientierungen zu sprechen. Dabei zeigt der bisherige Erkenntnisstand u. a., dass aggressionszentriertes und ausweichendes Bewältigungsverhalten als Reaktion auf Belastungen immer mehr dominiert, während Techniken der Leistung zur Freisetzung von Energie und Ressourcen ungenügend entwickelt werden. Diese Tendenzen gilt es zu bearbeiten, damit es gelingt, die Heranwachsenden zu einer harmonischen, selbstbestimmten und sinnerfüllten Lebensgestaltung zu befähigen.

Die Vervollständigung und Endauswertung der umfangreichen Ergebnisse ist gegenwärtig in Frage gestellt, da trotz hoher Wertschätzung durch die Stadt Leipzig und das Land Sachsen ab März 2004 die Gelder für eine Fortführung und Beendigung der Studie nicht mehr vorhanden sind.

Dies kommt aus Sicht der beteiligten Lehrer, Kinder und Wissenschaftler und einer Vergeudung von Ressourcen, Engagement und gesellschaftlich dringend benötigten Erkenntnissen für den Umgang mit diesen schwierigen Kindern gleich. Um dies zu verhindern, suchen wir dringend Sponsoren, die sich an folgende Kontaktadresse wenden können:

Frau Prof. Dr. med. habil. C. Ettrich / Frau Dipl.-Päd. M. Herbst
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters
Wundtstraße 9
04275 Leipzig
Telefon: 0341 97-24010
E-Mail: christine.ettrich(at)medizin.uni-leipzig.de