Pressemitteilung 2003/214 vom

Studie des Lehrstuhls für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig zum Einfluss des Fernsehens auf das Ausländerbild von Kindern und Jugendlichen

Deutschlands Talkshows inszenieren den türkischen Macho. Deutschlands Gerichtsshows verurteilen den Ausländer als Verbrecher. Auf diesen kurzen Nenner lässt sich das Nachmittagsprogramm und seine Wahrnehmung durch 9- bis 14-Jährige bringen. Während die Kleineren sich in ihrer Sicht auf Ausländer noch nicht beeinflussen lassen, übernehmen sie ab dem 11. Lebensjahr die Stereotype, die ihnen im Nachmittagsprogramm angeboten werden.

Zu diesen Ergebnissen kommt die eben veröffentlichte Studie mit dem Titel "Was guckst du, was denkst du?" des Lehrstuhls für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig und des JFF in München - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Das Forschungsteam um Prof. Dr. Bernd Schorb analysierte das Fernsehangebot und befragte 9- bis 14-Jährige in den alten und neuen Bundesländern nach ihrem Ausländerbild und ihrer Wahrnehmung von Ausländern im Fernsehen.

Ergebnisse der Inhaltsanalyse (Basis: 30 verschiedene Sendungen, die am Nachmittag und am Vorabend ausgestrahlt werden; Daily Talks, Gerichtsshows, Boulevardmagazine, Daily Soaps):

  • Das Bild von Menschen mit Migrationshintergrund im Fernsehen ist von ausländischen Männern geprägt.
  • Ausländerinnen und Ausländer werden im Fernsehen durch bestimmte Typen repräsentiert. Die wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Typen sind der "südländische Macho" und der "kriminelle Ausländer".
  • Hintergründe zur Herkunft und Situation von Migrantinnen und Migranten spielen nur in den wenigsten Fällen eine Rolle.

Ergebnisse der Nutzungsuntersuchung (Basis: 41 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 14 Jahren):

  • Ab dem elften Lebensjahr beginnen Heranwachsende, sich ein Bild von Menschen mit ausländischem Hintergrund zu machen. Dazu suchen sie nach Informationen in ihrem Umfeld, aber auch im Fernsehen, ihrem wichtigsten Orientierungsmedium.
  • Was die mediale Präsenz von Ausländerinnen und Ausländern angeht, konzentriert sich die Wahrnehmung der Heranwachsenden vornehmlich auf türkische Männer, die arrogant bis aggressiv auftreten und ein tradiertes Frauenbild vertreten. Sie fallen den Kindern und Jugendlichen besonders in den Daily Talks und Gerichtsshows auf.
  • Dort, wo sie das Fernsehangebot kritisieren, wünschen sich die 9- bis 14-Jährigen mehr Hintergründe und Erklärungen zum Alltag von Migrantinnen und Migranten und deren Zusammenleben mit Deutschen.

Neben ersten Erkenntnissen zur Rolle des Fernsehens für die Ausformung von Ausländerbildern bei Kindern und Jugendlichen weist die Studie auf eine Reihe weiterer Forschungsfragen hin:

  • Welche Rolle spielen mediale Bilder bei der Entwicklung von differenzierten Sichtweisen bzw. hinsichtlich der Verfestigung von Vorurteilen gegenüber Menschen mit ausländischem Hintergrund bei Heranwachsenden ab 14 Jahre?
  • Die Studie gibt Hinweise darauf, dass ausländische Kinder und Jugendliche ihre eigene wie auch andere Nationalitäten im Fernsehen vorurteilsbehaftet wahrnehmen. Das führt zu der Frage, welche Bedeutung Medien für die Ausbildung des Ausländerbildes von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aber auch für die Entwicklung ihrer eigenen Identität haben.
  • Die können Medien - Fernsehen und andere - positiv zum Integrationsprozess von Migrantinnen und Migranten beitragen?

Auftraggeber der Studie:
Landesmedienanstalten von Schleswig-Holstein (ULR), Bremen (BREMA) und Mecklenburg-Vorpommern (LRZ).

Veröffentlichung:
Bernd Schorb, Katrin Echtermeyer, Achim Lauber, Susanne Eggert: "Was guckst du, was denkst du? Der Einfluss des Fernsehens auf das Ausländerbild von Kindern und Jugendlichen"

Kostenlos zu beziehen bei:
Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR),
Telefon: 0341 97-45600 oder -45622
E-Mail: ulr(at)ulr.de