Pressemitteilung 2002/077 vom

Dr. Torsten Remmerbach entwickelte mit seiner Arbeitsgruppe, zu der auch Dr. Horst Weidenbach, Institut für Pathologie Leipzig, und Prof. Dr. Alfred Böcking, Universität Düsseldorf) gehören, ein Verfahren zur Früherkennung von Tumoren des Mund-Rachen-Raums. Es handelt sich dabei um ein einfaches und billiges Ausstrichverfahren, das operative Eingriffe zur Probenentnahme ersetzen soll. Das Verfahren ist bei richtiger Handhabung ein sicheres Mittel zur Erkennung bösartiger Tumoren.

Zu den aggressivsten Krebserkrankungen gehören die bösartigen Tumoren des Mund-Rachen-Raums. Bei etwa 3.500 bis 4.000 Menschen wird in jedem Jahr diese Diagnose gestellt. 50 Prozent davon versterben in den ersten fünf Jahren an den Folgen der Krankheit. Da diese Krebsarten sich meist nur durch eine Größenzunahme, nicht aber durch Schmerzen bemerkbar machen, gehen die Betroffenen erst zum Arzt, wenn sie die Geschwulst als störend empfinden. Eine Operation, die vielfach mit einer Strahlentherapie verbunden ist, wird dann unumgänglich. Da Tumoren sehr leicht Metastasen bilden, die dann in andere Organe abwandern können, müssen beim operativen Eingriff die Geschwulst und zusätzlich ein etwa ein cm breiter Gewebesaum als Sicherheit entfernt werden. Durch die oftmals sehr große Gewebewucherung ergeben sich gesichtsverstümmelnde Eingriffe, die sich auf die Lebensqualität des Patienten gravierend auswirken können.

Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Tumoren bereits in ihrer Frühform, also in einem Stadium zu erkennen, in dem sowohl große Aussichten auf Heilung bestehen, als auch durch den Eingriff nur wenig Gewebe entfernt werden muss. In der Regel werden blutige Proben von der Mundschleimhaut entnommen und anschließend durch den Pathologen untersucht, ein Verfahren, das allgemein von den Patienten als belastend empfunden wird, besonders aber von denjenigen, die sich bereits einer Krebsoperation unterziehen mussten und die jedem weiteren Eingriff skeptisch gegenüber stehen.

Deshalb suchte die Arbeitsgruppe um Herrn Dr. Torsten Remmerbach, Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichts- und Plastische Chirurgie an der Universität Leipzig (Direktor: Prof. Dr. Dr. Alexander Hemprich), nach einer Methode, mit der sich auf eine einfache Art und Weise die Zellen entnehmen lassen und bereits im Frühstadium ausreichend sicher eine bösartige Tumorerkrankung im Mund-Rachen-Raum diagnostiziert werden kann. Der Mediziner griff auf eine schon in den 50er Jahren beschriebene Methode zurück, wie sie der Frauenarzt seit längerem bei der Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses anwendet und das auf die Belange des Zahnarztes abgestimmt wurde: der Abstrich der Mundschleimhaut. Dabei wird die Tatsache genutzt, dass sich bei Tumorzellen Aussehen und Kernstruktur gegenüber gesunden Zellen verändern. Entartete Zellen sind nicht mehr rund und haben einen vergrößerten Zellkern mit aufgelockerter Chromatinstruktur, die Träger der DNA, der Erbsubstanz, ist.

Das Verfahren war nach seiner Prüfung in verschiedenen Kliniken wegen der sehr stark variierenden Untersuchungsergebnisse und der nach Meinung der Mediziner nicht ausreichenden Treffsicherheit, entartete Zellen zu entdecken, in den 70er Jahren wieder verlassen worden. Das Verdienst von Dr. Remmerbach ist es, die Methode erneut aufzugreifen und Ursachenforschung für die vermeintlichen schlechten Ergebnisse zu betreiben. Dabei fand er heraus, dass die von Untersucher zu Untersucher abweichende Entnahmetechnik der erkrankten Zellen wahrscheinlich die große Streuung der Ergebnisse hervorgerufen hatte. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, müssen die Zahnärzte in die Entnahme- und Ausstrichtechnik eingewiesen werden, also eine Zertifizierung erwerben. Die Abstriche werden dann an einen Pathologen geschickt und ausgewertet.

Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, das es nicht invasiv ist, d. h. ohne einen operativen Eingriff erfolgen kann. Die Gewinnung des Untersuchungsmaterials ist einfach und in der Mehrzahl der Fälle schmerzfrei. Mit Hilfe einer kleinen Bürste werden mit leicht kreisenden Bewegungen Zellen aus der obersten Schicht einer verdächtig erscheinenden Stelle im Mund oder Rachen entnommen und auf einem Objektträger ausgestrichen. Neu an der Methode ist die Untersuchung der DNA. Mit einem speziellen Farbstoff wird die DNA im Zellkern angefärbt. Anschließend erfolgt eine Dichtemessung der Kernsubstanz mit Hilfe der DNA-Zytometrie. Dazu werden ein Mikroskop und ein Bildanalyssystem zur Bestimmung der Dichte der Kernstruktur und ein Auswertungsprogramm für die gemessene Kerndichte benötigt. Durch die Kombination beider Verfahren, der zytologischen Untersuchung und der DNA-Zytometrie, lässt sich die Treffsicherheit zur Erkennung entarteter Zellen von 94 Prozent durch die alleinige Zytologie auf 98,6 Prozent mit DNA-Zytometrie erhöhen.

Ziel von Dr. Remmerbach ist es, diese Methode, ähnlich der Routineuntersuchung bei Frauen durch den niedergelassenen Gynäkologen, in die Hände des niedergelassenen Zahnarztes zu geben. Er ist der Erste, zu dem die Patienten kommen und der bei ihnen Auffälligkeiten im Mund-Rachen-Bereich diagnostizieren kann. Die sehr guten Ergebnisse für eine Früherkennung sollten die Krankenkassen überzeugen, dieses unkomplizierte und billige Verfahren in den Leistungskatalog der Zahnärzte aufzunehmen.

Für die Arbeiten an dem Verfahren für die Krebsfrüherkennung im Mund-Rachen-Raum wurde Dr. Remmerbach der Colgate Forschungspreis für Zahnmedizin 2001 verliehen.