"Die ganze Welt wird ausgemessen in Wissen. Es besteht die Gefahr, dass das auch noch auf den Himmel ausgedehnt wird", meint der gebürtige Baden-Württemberger, der zuvor an der Universität in Halle lehrte und forschte. Der Religionsunterricht müsse das Gespür für das Nichtverfügbare, für Geheimnisse offenhalten und dürfe nicht als "System von Antworten" verstanden werden. "Die Bibel nimmt eher Fragen auf als sie Antworten gibt", sagt Prof. Lütze.
Sein Forschungsschwerpunkt ist die religionspädagogische Arbeit mit bildungsbenachteiligten Schülern in sozialen Brennpunkten. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter befasst er sich derzeit mit der Frage, wie Religionslehrer mit dem Thema Armut umgehen, wenn arme Kinder in der Klasse sind. Gerade in Leipzig gebe es Stadtviertel, in denen Armut ein großes Problem ist. In dem Forschungsprojekt werden Religionslehrer in Leipzig, Chemnitz, Dresden sowie im Ruhrgebiet dazu befragt. "Generell möchte ich herausfinden, wie man Kindern und Jugendlichen religiöse Bildung zugänglich machen kann, die nicht aus bildungsbürgerlichen Verhältnissen kommen", betont er.
Prof. Lütze ist deutschlandweit einer der wenigen Wissenschaftler, die sich mit diesem Forschungsschwerpunkt beschäftigen. In seinen Lehrveranstaltungen an der Universität Leipzig will er künftige Religionslehrer gerade für dieses Thema sensibilisieren. Die eine Wochenstunde Ethik beziehungsweise Religion an sächsischen Schulen ist nach Ansicht des Fachmannes viel zu wenig, um den Schülern Werte zu erschließen und sie an religiöse Fragen heranzuführen - zumal gerade in den größeren Städten Ostdeutschlands ein Großteil der Schüler "ererbt" konfessionslos ist, wie Lütze es nennt. "Hier ist es im Gegensatz zum Westen ganz normal, dass man nicht in der Kirche ist", sagt er. Dies sei ein Bereich, in dem sich Ost und West so lange nach der Wende noch immer deutlich unterscheiden.