Bei der Analyse der Kristallstruktur spielt die Kombination von Elektronenmikroskopie und Synchrotronstrahlung – intensive Röntgenstrahlung, die an einer Großforschungseinrichtung auf besondere Weise erzeugt wird – eine entscheidende Rolle. Dass dies manchmal aber nicht genügt, zeigt die Analyse des Phosphoroxidnitrids. Die Substanz, welche in künftigen Studien die Grundlage zum Beispiel für neuartige Leuchtstoffe bilden könnte, wurde bereits 2014 erstmals hergestellt, ihre Struktur aber bisher nicht aufgeklärt, denn sie galt bislang als schwer zugängliche Verbindungsklasse.
Daniel Günther, Doktorand in der Arbeitsgruppe Oeckler, konnte das Rätsel gemeinsam mit seinem Mentor nun lösen. „An den Daten lag es nicht, sondern an einem Streich der Natur. Es handelt sich nämlich nicht nur um eine Substanz, sondern gleich um drei sehr komplizierte, miteinander verwachsene Verbindungen“, erklärt Günther, der Erstautor der Studie ist.
Ausschnitte aus den Atomanordnungen bildeten gewissermaßen ein Baukastensystem, aus dem komplizierte und auch ungeordnete Strukturen entstehen können. „Eine solche Untersuchung braucht extrem gewissenhafte Arbeit, für die nur wenige Mitarbeiter die nötige Geduld und Konzentration aufbringen können. Ohne ein Forschungsfreisemester und einen so engagierten Mitarbeiter hätte es wohl nicht geklappt. Die meisten hätten die auf den ersten Blick ‚unauswertbar‘ erscheinenden Daten wohl entsetzt abgelegt und nie wieder erwähnt“, sagt Oliver Oeckler. Es gehe nicht nur um die nach Ansicht der Forschenden sehr interessante Struktur von Oxonitridophosphaten, sondern auch um die Methode der Analyse. Anhand der in ihrem Artikel beschriebenen Vorgehensweise seien auch ähnlich gelagerte analytische Probleme bei völlig anderen Substanzen lösbar.
Veröffentlichung in “Chemistry – A European Journal”:
“Modular Principle for Complex Disordered Tetrahedral Frameworks in Quenched High-pressure Phases of Phosphorus Oxide Nitrides", doi.org/10.1002/chem.202203892