Pressemitteilung 2018/059 vom

Nach der Bundestagswahl 2017 ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass der klassische AfD-Wähler der ostdeutsche Mann ist. "Schaut man sich die Daten verschiedener Umfragen genau an, kommt man zu einem anderen Schluss", sagt Prof. Dr. Holger Lengfeld, Soziologe der Universität Leipzig. Er hat die Wahlpräferenz und die Nähe zu einer Partei anhand von Daten aus drei repräsentativen Umfragen analysiert und kommt zu dem Ergebnis: Der Männeranteil unter den AfD-Anhängern ist in Ostdeutschland nicht größer als im Westen. Dort liegt er durchschnittlich sogar höher.

Bei der Bundestagswahl 2017 stimmten 25 Prozent der ostdeutschen Männer für die AfD - im Westen waren es 13 Prozent. "Aus diesem Befund wurde in der Öffentlichkeit der Schluss gezogen, dass die AfD in Ostdeutschland eine reine Männerpartei sei", so Lengfeld. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Clara Dilger hat er sich die Datenlage genauer angesehen. Grundlage seiner Studie bildeten die bevölkerungsrepräsentativen Umfragen Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) sowie eine Sonderumfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap. Die Umfragen erheben regelmäßig, welche Partei die Befragten bei der nächsten Bundestagswahl wählen würden beziehungsweise welcher Partei sie nahestehen. "Das ist eine sehr wichtige Unterscheidung, denn die konkrete Wahlentscheidung kann taktisch motiviert sein, die Parteibindung unterstellt hingegen eine emotionale Bindung zu den Zielen und der Parteiführung", betont Holger Lengfeld.

Die Befragten wurden von den Leipziger Forschern zunächst danach aufgeteilt, ob sie die AfD wählen beziehungsweise ihr nahestehen oder einer anderen Partei. Für beide Gruppen sowie für die Gesamtstichprobe haben die Forscher dann den Anteil an Frauen und Männern bestimmt und nach ost- und westdeutschen Bundesländern differenziert. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Männeranteil an AfD-Sympathisanten in Ostdeutschland nicht größer ist als im Westen - dort ist er sogar durchschnittlich höher. Nach Auswertung der SOEP-Daten liegt der Männeranteil unter den AfD-Anhängern in Westdeutschland bei 75, in Ostdeutschland bei 58 Prozent. Bei den Werten aus der ALLBUS rangiert der Männeranteil im Westen geringfügig vor dem im Osten. Auch bei der Sondererhebung von Infratest dimap liegt der Westen vorn: Hier beträgt der Männeranteil unter den AfD-Anhängern 82 Prozent, bei den ostdeutschen Männern 48 Prozent.

"Alle drei Datenquellen belegen, dass in Westdeutschland der Anteil an Männern, die mit der AfD sympathisieren, zum Teil wesentlich höher ist als in Ostdeutschland. Das Bild in der Öffentlichkeit stimmt so also nicht", resümiert Lengfeld. Die Analysen zeigten zudem, dass in beiden Landesteilen Männer generell häufiger zur AfD neigen als Frauen. Im Vergleich zwischen west- und ostdeutschen Frauen sympathisieren jedoch mehr Frauen aus dem Osten mit der AfD. "Wir können nur vermuten, wo die Gründe dafür liegen. Ein Gedanke ist, dass ostdeutsche Frauen mehr und länger arbeiten und dadurch andere soziale Netzwerke aufbauen. Sie können häufiger auch mit Bezugspersonen außerhalb der Familie über politische Themen sprechen und sind in ihrer politischen Willensbildung unabhängiger von männlichen Partnern", erklärt Prof. Dr. Holger Lengfeld. Ob diese These zutreffe, müssten aber weitere empirische Studien zeigen.