Pressemitteilung 2002/031 vom

Wie wirkt sich das Klima einer Großstadt auf die einheimische Flora und Fauna im Auwald aus? Sind urbane Belange mit einem intakten Ökosystem zu vereinbaren? Wie belastbar sind die Bäume?Und wie wirkt sich andererseits der grüne Gürtel auf das Stadtklima aus?

Das sind einige der Fragen, auf die ein Leipziger Forschungsprojekt Antworten in den Baumwipfeln des Stadtwaldes sucht.

Wer einen Ausflug in den nordwestlichen Leipziger Auwald, das Naturschutzgebiet Burgaue, unternimmt, wird sich vielleicht über einen Drehkran mitten im Wald wundern. Vor etwa einem Jahr hat dieses Großgerät sein neues Domizil bezogen. Es gehört zu einem Forschungsprojekt - Initiator und Leiter ist Prof. Dr. Wilfried Morawetz vom Institut für Botanik, Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leipzig - , das in enger Zusammenarbeit mit Dr. Stefan Klotz, Leiter der Sektion Biozönoseforschung am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, durchgeführt wird.

Vorgänger für dieses Forschungsvorhaben war ein ähnlich gelagertes Projekt am oberen Orinoko im Süden Venezuelas. Hier sammelte Prof. Morawetz erste Erfahrungen bei der Untersuchung der Ökologie im Kronenraum eines tropischen Regenwaldes, die er für das Auwaldprojekt nutzen konnte. Ziel der Forschungen an der Peripherie einer Großstadt ist es, die einmalige einheimische Flora und Fauna des Auwaldgebiets unter ökologischen Aspekten zu untersuchen. Im Vordergrund stehen Fragen nach der Auswirkung der Stadtnähe auf dieses komplexe ökologische System und nach der Funktionalität von Tieren und Pflanzen sowie forstwirtschaftliche Gesichtspunkte, z. B. die Belastbarkeit der Bäume.

Untersucht wird weiterhin, wie sich die Nutzung des Waldes als Erholungsgebiet für die Bevölkerung auf den Lebensraum und die biologische Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren auswirkt, d. h. die Wechselwirkung zwischen den urbanen Belangen und den Anforderungen, die an ein intaktes Ökosystem gestellt werden. Aber auch die Auswirkungen des "grünen Gürtels" auf das Stadtklima sind Gegenstand der Forschungen. So werden neben den biotischen Komponenten (Pflanzen und Tiere) auch die abiotischen (Klima, Boden) in die Beobachtungen einbezogen. Durch den Einsatz eines Krans, dessen Arbeitsbühne mehr als 30 m hoch über die Kronen der Bäume ausgefahren werden kann, ist ein permanenter Aufenthalt im Kronenbereich für die Wissenschaftler möglich. Er gestattet ein subtiles und einfaches Arbeiten ohne den Lebensraum der Waldbewohner zu stören und löst die früher sehr erschwerten Beobachtungsbedingungen ab. Der Kran wird auf 120 m langen Schienen bewegt. Mit Hilfe eines schwenkbaren Arms lässt sich so eine Fläche von etwa 1,6 Hektar überschauen.

Erste Untersuchungen werden sich im Rahmen von Diplomarbeiten mit der Biodiversität der Kronenfauna beschäftigen. Die unterschiedlichen Fragestellungen der Forschungen bedingen, dass nicht nur der Botaniker gefragt ist, sondern dass ein interdisziplinäres Forscherteam, bestehend unter anderem aus Zoologen, Genetikern, Klimatologen und Geologen, in die Thematik integriert sein muss, um alle ökologischen Aspekte umfassend zu untersuchen. Zur Zeit stehen die vorbereitenden Arbeiten, die weitere Forschungsthemen präzisieren sollen, vor dem Abschluss. Mit Beginn der Wachstumsperiode wird der Kran dann rund um die Uhr mit Wissenschaftlern aus den verschiedenen Fachbereichen besetzt sein. Erste Ergebnisse sind im Herbst zu erwarten.