Pressemitteilung 2003/089 vom

Die Universität Leipzig ist auf der Terratec mit einem Hochwasserschutzprojekt vertreten. Mittels eines Multielektrodensystems wird die elektrische Leitfähigkeit des Deiches gemessen, aus der die Experten ableiten können, ob ein Deich sicher oder gefährdet ist. Das Messverfahren nennt sich geoelektrische Leitfähigkeitstomographie mit niederfrequenten Wechselströmen.

Heute besuchte der Sächsische Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Steffen Flath Universitäts-Messestand auf der Terratec und informierte sich über die Ausstellungsexponate, auch über das Projekt des Institutes für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig unter Leitung von Prof. Dr. Franz Jacobs, das sich dem Hochwasserschutz widmet. Das Projekt wird mit Unterstützung des BMBF seit einigen Jahren bearbeitet und hat durch die jüngsten Ereignisse des August- und Dezemberhochwassers ungeahnte Aktualität bekommen.

Es ist bekannt, dass die Stabilität der Deiche von Materialbeschaffenheit, Stoffzusammensetzung, Porosität, Permeabilität, Scherfestigkeit und der Durchfeuchtung abhängt. Mit diesen Parametern ist die elektrische Leitfähigkeit auf komplizierte Weise verknüpft. Das sind die Prämissen, die den Ausgangspunkt des Projektes der Leipziger Geophysiker bilden. Mit einer Art geoelektrischer Leitfähigkeitstomographie kann der geotechnische Zustand der Deiche untersucht werden. Dazu werden genau definierte Wechselströme in den Boden injiziert, um aus den räumlichen und zeitlichen Änderungen der Ausbreitung dieser Ströme auf Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit im Deich zu schließen. Deichbauexperten können daraus den Zustand der Deiche ableiten.

Geoelektrik auf Deichen wurde immer wieder eingesetzt, aber die bislang verwendeten Methoden und die kommerziell zum Einsatz kommenden Algorithmen reichten für die geforderte Aussagesicherheit vielfach nicht aus. Leipziger Geophysiker entwickelten erstmals ein Modell, das die geoelektrischen Untersuchungen flächenhaft ermöglicht und nicht nur linear wie bisher. Das lässt eine neue Qualität der geophysikalischen Deichprognose erwarten. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Leitfähigkeitstomographie waren Dr. Erik Danckwardt und Günter Petzold vom Institut für Geophysik und Geologie.

Für die Ermittlung der Daten werden Elektroden auf der Deichkrone in den Boden gesteckt, die durch mehradrige Elektrokabel verbunden sind. Die Kabelbündel enden an einer mehrkanaligen Messbox in einem Spezialfahrzeug. Mit einer eigens dafür entwickelten Software kann dann die Grundlage für die Deichprognose gelegt werden.

Die im Deich steckenden Elektroden sind quasi Erdnägel, die über die Kabel paarweise zu Stromdipolen zusammengeschaltet sind. Zwischen ihnen fließt elektrischer Strom, der im Deich ein elektrisches Feld erzeugt. Dieses elektrische Feld wird seinerseits durch andere Elektrodenkombinationen abgetastet. Die Geophysiker pulsen zunächst genau definierte Wechselströme in den Boden. Dabei werden die "sendenden" Stromdipole und die "empfangenden" Spannungsdipole im Wechseltakt angesteuert. Aus den Messwerten von Strom und Spannung wird dann der Widerstand - oder sein Reziprokum, die Leitfähigkeit, - rechnerisch ermittelt. Allerdings ist das nicht durch einfache Quotientenbildung möglich, sondern durch eine raffiniert ausgeklügelte Software auf der Basis von Inversionsstrategien.

Hat man die Leitfähigkeit des Deiches ermittelt, kann der geotechnische Zustand des Deiches beurteilt werden. Deichbauexperten wiederum können daraus auf die letztlich alles entscheidende Frage antworten: Hält der Deich? Im Raum Torgau wurde die neue Methode nach dem Jahrhunderthochwasser des letzten Sommers erstmals eingesetzt.