Pressemitteilung 2016/249 vom

In einer Welt, die geprägt ist von immer dichteren Strömen von Menschen und Kapital, Ideen und Waren, Technologien und Krankheiten scheinen stabile Räume des menschlichen Zusammenlebens in Auflösung begriffen zu sein. Die Grenzen von Nationalstaaten werden porös, Gemeinschaften ortlos. Das ist jedenfalls eine Angst, die in der öffentlichen Diskussion um die Folgen von "Globalisierung" immer wieder beschworen und aus unterschiedlichen Perspektiven politisch instrumentalisiert wird. Der Sonderforschungsbereich (SFB) "Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen" an der Universität Leipzig versammelt auf seiner ersten Jahreskonferenz internationale Experten, die die Vervielfältigung von Raumtypen in den Blick nehmen - von internationalen Räumen der UNO über die Blockstruktur des Kalten Krieges bis hin zur russischen Geopolitik. Sie zeigen: Globalisierung lässt gesellschaftliche Räume nicht einfach verschwinden, sondern verändert sie. Um damit politisch und kulturell zurecht zu kommen, gilt es zu verstehen, wie und warum.

Der im Januar an der Universität Leipzig eingerichtete Sonderforschungsbereich (SFB 1199) geht von der empirisch gestützten Beobachtung aus, dass Globalisierung politische, kulturelle, soziale oder wirtschaftliche Räume nicht verschwinden lässt und in der Ortlosigkeit endet, sondern die Formen und Strategien, in denen Gesellschaften sich ihre Räume schaffen, verändert und vervielfältigt. Globalisierung ist dabei keine gesichtslose Macht, denen sich Gesellschaften schlicht zu unterwerfen haben, sondern vielmehr das Ergebnis zahlloser, durchaus widersprüchlicher Globalisierungsprojekte und der Versuche, diese unter Kontrolle zu bringen.

Das "Machen" gesellschaftlicher Räume unter den Bedingungen von Globalisierung über einen längeren historischen Zeitraum und in verschiedenen Weltregionen vergleichend zu erforschen, ist die Aufgabe des interdisziplinären Großforschungsprojekts, das als Kooperation zwischen der Universität Leipzig, dem Leibniz-Institut für Länderkunde und dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig entstand und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für zunächst vier Jahre finanziert wird. Etwa 50 Wissenschaftler aus der Geographie, den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie verschiedenen regionalwissenschaftlichen Fächern arbeiten in 17 Projekten unter einem gemeinsamen Dach. Ziel ist die Entwicklung einer Typologie von Raumformaten, die seit dem 18. Jahrhundert beobachtet werden können und die Entwicklung einer historischen Darstellung ihres Wandels.

Die erste Jahreskonferenz unter dem Titel "Spatial Formats: Concepts, Historicity and Approaches towards Typologies" führt 20 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland vom 6. bis zum 8. Oktober 2016 nach Leipzig. Die Experten für verschiedene Weltregionen aus unterschiedlichen Fächern werden den konzeptionellen Vorschlag des Leipziger Verbundes diskutieren.

In sechs Tagungsabschnitten geht es unter anderem um Probleme der kartographischen Visualisierung von Globalisierung, um russische Geopolitik, um den "internationalen Raum" der UNO, um Städte in gegenwärtigen und historischen - auch kolonialen - Kontexten, um das Blocksystem des Kalten Krieges, um das Erbe historischer Imperien und um globale Warenketten und transnationale Märkte. Die Historikerin Glenda Sluga (Sydney) und der Geograph Bob Jessop (Lancaster) werden Keynote-Vorträge halten.