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Ethische Konflikte spielen im medizinischen Kontext eine wichtige Rolle und stellen auch Apotheker:innen in ihrer täglichen Arbeit vor große Herausforderungen. In einer wissenschaftlichen Studie sind mehr als 500 Apotheker:innen bundesweit zur Häufigkeit und Belastung ethischer Konflikte bei ihrer Arbeit befragt worden. Die Ergebnisse hat ein Forschungskonsortium der Universität Leipzig und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im „International Journal of Clinical Pharmacy“ publiziert.

Welcher Arzneimittelwunsch einer Schwangeren ist in der Selbstmedikation erfüllbar – ohne das ungeborene Kind zu gefährden? Welche Informationen zur richtigen Anwendung einer ärztlich verordneten Asthmatherapie müssen gegeben werden – ohne Patient:innen zu verunsichern? „Diese beispielhaften Fragen aus der anspruchsvollen Arbeit von Apothekerinnen und Apothekern zeigen, wie schnell die Berufsgruppe vor ethischen Konflikten stehen kann. Dennoch ist dieses Thema in der Forschung bisher kaum untersucht worden“, sagt Professor Thilo Bertsche, Leiter der Klinischen Pharmazie und Studiendekan Pharmazie an der Universität Leipzig.

Deshalb hat sich ein Konsortium aus Klinischen Pharmazeut:innen der Universität Leipzig und Medizinethiker:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg diesem Thema in einer aktuellen Forschungsarbeit gewidmet. „Ziel des multiprofessionellen Projektes ist es, die Häufigkeit und empfundene Belastung durch ethische Konflikte in öffentlichen Apotheken zu untersuchen", erläutert die diplomierte klinische Pharmazeutin und Apothekerin Kathrin Wernecke, die das Projekt federführend an der Universität Leipzig betreute. 

KONFLIKTE MINDESTENS EINMAL PRO WOCHE

Als häufigsten Konflikt benannten die Teilnehmenden, dass das von der Krankenkasse erstattete Rabattarzneimittel aus pharmazeutischer Sicht nicht am besten zur Therapie geeignet sei. Das zweithäufigste Dilemma war, dass die Apotheker:innen aufgrund von Lieferengpässen auf weniger geeignete Alternativen ausweichen mussten. Platz drei der häufigsten Antworten war, dass den Apotheker:innen eine dringende Verschreibung vorlag, diese aber einen formalen Fehler enthielt, die eine Rücksprache mit dem Arzt erforderte, welcher jedoch nicht erreichbar war.

An der Online-Befragung nahmen 535 Apotheker:innen aus ganz Deutschland teil. „Wir haben 15 Entscheidungssituationen unter Berücksichtigung von kollidierenden ethischen Prinzipien definiert", sagt der Hallenser Pflegewissenschaftler und Medizinethiker Dr. Stephan Nadolny. Sieben der vorab definierten ethischen Konflikte traten bei den Befragten mindestens einmal pro Woche auf. Die Teilnehmenden bewerteten die von einem multiprofessionellen Expertenteam definierten Konflikte in Bezug auf ihre Häufigkeit und die empfundene Belastung. 

ABWäGUNGEN ZWISCHEN UNTERSCHIEDLICHEN NORMEN 

Anschließend wurden die Befragten gebeten, den Einfluss auf ihre Entscheidungsfindung anzugeben. Die Auswertung ergab, dass drei Überlegungen bevorzugt bei ethischen Konflikten einbezogen werden: pharmazeutisches Wissen, rechtliche Anforderungen und persönliche Wertvorstellungen. „Das beinhaltet ethische Konflikte und Herausforderungen, bei denen Abwägungen zwischen unterschiedlichen Werten beziehungsweise Normen getroffen werden müssen", erläutert Medizinethiker Professor Jan Schildmann von der Universitätsmedizin Halle. 

Das Autorenteam der Studie zieht aus den Ergebnissen folgende Schlussfolgerungen:

  • Ethische Konflikte belasten auch Apotheker:innen bei ihrer täglichen Arbeit. 

  • Ethische Inhalte sollten künftig stärker als bisher bereits in der Ausbildung von Apotheker:innen berücksichtigt werden. 

  • Ethische Diskussionen sollten auch im Rahmen von Fortbildungen und mit anderen Berufsgruppen geführt werden. 

  • Die ethischen Konflikte in der Apotheke sollten in Zukunft intensiver wissenschaftlich untersucht und Lösungsansätze zum Wohle der Patient:innen identifiziert werden.

 

Originalpublikation in International Journal of Clinical Pharmacy: 

“Ethical conflicts in patient care situations of community pharmacists: a cross-sectional online survey”. Doi: 10.1007/s11096-024-01797-9 

Apotheker:innen müssen ein erfolgreiches Pharmaziestudium abgeschlossen haben. An der Universität Leipzig ist die Pharmazie als einziger Standort in Deutschland in die Medizinische Fakultät integriert. Vielfältige universitätsübergreifende Forschungskonsortien bestehen unter anderem zwischen den Universitäten Leipzig und Halle. All dies eröffnet einzigartige multiprofessionelle Kooperationsmöglichkeiten für innovative gemeinsame Themenfelder der Pharmazie, der Medizin und weiteren Disziplinen zum Wohle der Patientinnen und Patienten.