Pressemitteilung 2000/021 vom

An der Entwicklung von Testverfahren zur Diagnose von zentralen Hörstörungen arbeitet der Leipziger Neurobiologe Prof. Dr. Rudolf Rübsamen vom Institut für Zoologie. Zentrale Hörstörungen sind Störungen, bei denen das Innenohr intakt, das zentrale System (das Gehirn) jedoch geschädigt ist - häufig nach Schlaganfällen oder Unfällen.

"Wenn man Schlaganfall-Patienten mit Sprachverständigungsproblemen hat, da möchte man wissen, welche Art von Schädigung vorliegt", sagt Rübsamen. Daneben sei es auch und besonders für Kinder wichtig, Hörstörungen möglichst frühzeitig und in ihrer Ursache möglichst exakt zu erkennen, ist doch die gesamte intellektuelle Entwicklung des Menschen hauptsächlich an die Sprachentwicklung gekoppelt und setzt somit ein intaktes Hörvermögen voraus. Während man aber bei der Lähmung des rechten Arms etwa "einen starken Hinweis darauf hat, dass eine bestimmte Region im linken Vorderhirn Funktionsausfälle zeigt oder degeneriert ist", seien solch einfache Zuordnungen beim zentralen Hörsystem nicht möglich, erklärt Rübsamen. Bislang gebe es kein generelles Verständnis davon, in welchen Regionen des Gehirns welche akustischen Signalcharakteristika verarbeitet werden. Dies aufzuklären, daran arbeitet er mit seinen Kollegen.

Durch akustische Testungen an neurologischen Patienten - meist nach Schlaganfällen - in der Tagesklinik für kognitive Neurologie versucht der Wissenschaftler, seine Hypothesen zur Spezifität akustischer Signalverarbeitung auf verschiedenen Ebenen des zentralen auditorischen Systems zu überprüfen. Als Vergleich dient ihm eine Basisstudie an normalhörenden Versuchspersonen, die identischen Tests unterzogen worden sind. Bei den Tests wird zwischen der Verarbeitung verschiedener akustischer Kenngrößen unterschieden, die in ihrer Gesamtheit sowohl bedeutungstragende Umweltgeräusche als auch Sprachsignale charakterisieren: Frequenz (Tonhöhe), Amplitude (Lautstärke) und Zeitinformation (Pausen, Tondauer). Ziel ist es, Leistungsminderungen bei der Differenzierung akustischer Signale - und damit bestimmte Hörschäden - dem Ausfall einzelner Verarbeitungsstationen in dem sehr komplexen Hörsystem zuordnen zu können.

Von besonderer Bedeutung für das Hörsystem ist die zeitgebundene Kodierung und Verarbeitung akustischer Information, erklärt Rübsamen. Wie diese strukturiert ist, untersucht er mit Prof. Dr. Yves von Cramon und Prof. Dr. Angela Friederici vom Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung in Leipzig, Dr. Christian Kaernbach vom Institut für Allgemeine Psychologie sowie mit Wissenschaftlern anderer Universitäten innerhalb eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunkt-Programms. Neben genaueren Verfahren zur Hördiagnostik erhofft er sich von den Forschungsergebnissen auch effizientere technische Hörhilfen (digitale Hörgeräte und Innenohr-Implantate) und verbesserte Verfahren zur gehörgerechten Signalverarbeitung in technischen Systemen (z. B. Mensch-Maschine-Kimmunikation mit Sprachsteuerung oder Multimedia-Anwendungen).