In Medikamenten hat Deuterium einen lebensverlängernden Effekt, wenn auch zunächst nur für den Wirkstoff selbst. Denn der menschliche Stoffwechsel baut Moleküle, die das Isotop mit der doppelten Wasserstoffmasse tragen, langsamer ab als die gleiche Substanz, wenn sie mit normalem Wasserstoff gemacht ist. Daher lassen sich deuteriumhaltige Arzneimittel niedriger dosieren, sodass sich auch ihre Nebenwirkungen verringern. Deuterium mischt zudem ebenso wie das noch schwerere radioaktive Tritium bei der Kernfusion mit. Dieser Prozess bringt die Sterne zum Leuchten, soll aber auch einmal in entsprechenden Kraftwerken ablaufen. Denn in ihm verschmelzen Atomkerne miteinander und erzeugen dabei eine große Menge Energie.
Während Deuterium in der Pharmazie erst seit kurzer Zeit genutzt wird und sein möglicher Einsatz in der Energieversorgung noch in der Zukunft liegt, findet es in der Wissenschaft schon lange Verwendung. Zum Beispiel um den Weg von Nährstoffen durch den Stoffwechsel zu verfolgen. "Deuterium und in gewissem Maße auch Tritium sind also für einige Anwendungen nützlich", sagt Michael Hirscher, der als Leiter einer Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme an der aktuellen Arbeit maßgeblich beteiligt war. "Bislang ist es allerdings sehr aufwendig, Deuterium vom leichten Wasserstoff zu trennen."
Eine Metall-organische Gerüstverbindung als Deuterium-Filter spart Energie
So wird etwa Deuterium aus schwerem, also deuteriumhaltigem Wasser gewonnen, das zu 0,15 Promille in natürlichem Wasser enthalten ist. Mit einer Kombination chemischer und physikalischer Verfahren wie etwa der Destillation wird zunächst das schwere Wasser isoliert und anschließend Deuterium-Gas erzeugt. Das ist so aufwendig und energieintensiv, dass ein Gramm Deuterium von 99,8 Prozent Reinheit etwa 100 Euro kostet. Damit ist der schwere Bruder des Wasserstoffs rund drei Mal teurer als Gold, obwohl Deuterium in jedem Gewässer und an der Erdoberfläche insgesamt mehr als 300 Mal häufiger als das Edelmetall zu finden ist.
"Mit unserer Metall-organischen Gerüstverbindung dürfte es nun einfacher und weniger energieintensiv werden, Deuterium aus dem natürlichen Gemisch der Wasserstoffisotope zu isolieren", sagt Dirk Volkmer, dessen Mitarbeiter am Lehrstuhl für Festkörperchemie der Universität Augsburg das Material synthetisiert haben. In einer Metall-organischen Gerüstverbindung, englisch "metal-organic framework" oder kurz "MOF", werden Metall-Ionen durch organische Moleküle zu einem Kristall mit relativ großen Poren vernetzt, weshalb solche Stoffe bezogen auf ihr Gewicht große Mengen Gas aufnehmen können.
In der Verbindung, die das Forscherteam nun als Filter für Deuterium und auch für Tritium vorstellen, bilden Zink- und Kupferionen die metallischen Knotenpunkte. Bereits 2012 hatten die Wissenschaftler eine Metall-organische Gerüstverbindung präsentiert, die als metallische Komponente ausschließlich Zink enthielt und ebenfalls Deuterium aus dem natürlichen Isotopengemisch filtert - allerdings nur bei minus 223 Grad Celsius.
Kupfer statt Zink, und der Filter lässt sich mit flüssigem Stickstoff kühlen
Die Augsburger Chemiker ersetzten einen Teil der Zink- daher durch Kupferatome, deren Elektronenhülle so gebaut ist, dass das Material bei höheren Temperaturen und selektiver Deuterium filtert. Das bestätigten Michael Hirscher und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und die Forscher am Oak Ridge National Laboratory in verschiedenen Tests bewiesen. Unter anderem prüften sie bei verschiedenen Temperaturen, in welchen Mengen das Material Deuterium und normalen Wasserstoff aus einem Gemisch mit gleichen Anteilen der beiden Isotope aufnimmt. Demnach speichert es bei minus 173 Grad Celsius zwölf Mal mehr Deuterium. "Bei dieser Temperatur lässt sich der Trennprozess mit flüssigem Stickstoff kühlen und wird dadurch kostengünstiger als die Verfahren, die nur bei weniger als minus 200 Grad funktionieren", sagt Michael Hirscher.
Bei der Interpretation der verschiedenen Messergebnisse halfen die Beiträge der theoretischen Chemiker um Prof. Dr. Thomas Heine, der vor kurzem einen Lehrstuhl an der Universität Leipzig übernommen hat, nachdem er vorher an der Jacobs University Bremen gelehrt hatte. "Mit unseren Berechnungen konnten wir die verschiedenen experimentellen Puzzleteile zu einem konsistenten Gesamtbild zusammenführen", sagt der Wissenschaftler.
Die Metall-organische Gerüstverbindung muss noch mehr Gas aufnehmen
Wie die Analyse der Daten für Deuterium und Wasserstoff ergab, stimmten die Experimente und die Vorhersagen der Rechnungen sehr gut überein. Das macht die Theoretiker zuversichtlich, dass der Teil ihrer Rechnungen, die sich nicht einfach experimentell überprüfen lassen, genauso aussagekräftig sind. "Dann stimmen wahrscheinlich auch unsere Berechnungen für Tritium, was sich in Experimenten aber nur unter großen Sicherheitsvorkehrungen überprüfen lässt", sagt Thomas Heine.
Auch das radioaktive Wasserstoff-Isotop filtert das Material demnach sehr effektiv aus einem Gemisch der Isotope. Das dürfte auch für eine Anwendung interessant sein, bei der es nicht darum geht das Isotop zu gewinnen, sondern loszuwerden. Denn Wasser aus Kernkraftwerken, auch das, mit dem die Reaktoren von Fukushima bei der Katastrophe im Jahr 2011 geflutet wurden, enthält Tritium. Mit der neuen Metall-organischen Gerüstverbindung ergibt sich vielleicht eine Möglichkeit, diese radioaktiven Altlasten zu beseitigen. Allerdings müsste das radioaktiv verseuchte Wasser dafür zunächst elektrolysiert werden, um die tritiumhaltigen Wassermoleküle in tritiumhaltiges Wasserstoffgas umzuwandeln. Bevor Tritium und Deuterium mit großporigen Kristallen jedoch in der Praxis aus dem Isotopengemisch des Wasserstoffs gefiltert werden kann, müssen die Wissenschaftler es allerdings noch weiterentwickeln - nicht zuletzt, damit es noch mehr Gas aufnimmt.
Originaltitel der Veröffentlichung in "Nature Communications":
"Capture of heavy hydrogen isotopes in a metal-organic framework with active Cu(I) sites"
DOI: 10.1038/ncomms14496