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Die Universität Leipzig stellt sich als größte Universität des Freistaats dem Exzellenz-Wettbewerb, um Spitzenforschung aus Sachsen zu profilieren. Die in den Skizzen beschriebenen Forschungsvorhaben stammen aus innovativen Verbünden aus den Bereichen Medizin, Umwelt-, Lebens-, Sozial- und Naturwissenschaften. Neben dem gebürtigen Leipziger, Prof. Dr. Matthias Middell, stehen zwei weitere Universitätsprofessoren den insgesamt drei Clusterprojekten vor – der Mediziner Prof. Dr. Michael Stumvoll sowie der Meteorologe Prof. Dr. Johannes Quaas. Gemeinsam stellten Sie ihre Forschungsvorhaben im April beim Parlamentarischen Lunch in Dresden vor.

Leipzig tritt mit gesellschaftlich hochrelevanten Themen bei der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder an. Drei Vorträge stellten diese den anwesenden Parlamentarier:innen kurz vor:

  • Moderne Lebensstilerkrankungen
    Mission Fett- und Zuckerbremse: Jeder 8. Sachse stirbt frühzeitig an seinem Wohlstandsbauch. – Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes: Warum eine einzige Pille für alle nicht ausreicht.

    Klimawandel und Biodiversität
    Zum Schutz der Erde gilt es, Arten- und Klimaschutz zu kombinieren. Sächsische Wälder können dabei Vorreiter sein.

    Herausforderungen der Globalisierung
    Die Transformation Mitteldeutschlands kann ein Beispiel für Lebensstilfolgen für andere Weltregionen sein. Gegenseitige Rücksichtnahme und Partnerschaft begründen den Weg durch Krisen.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Collage: Links steht ein Farbfoto mit Aufnahme der Gebäudesilouette vom Neuen Augusteum und Paulinum mit seinen markanten spitzen Dachformen, im Hintergrund ist blauer Himmel zu sehen. Auf der rechten Bildseite ist eine dunkelrote Farbfläche mit weißer Schrift "Leipzig: Exzellent!" am unteren Rand der Farbfläche ist die Gebäudesilouette vom Paulinum und Augusteum wie ein Scherenschnitt ausgeschnitten.
Leipzig: Exzellent! Foto: Christian Hüller, Grafik: GUD/Universität Leipzig

Lebensstilerkrankungen und ihre Langzeitfolgen

Betrachtet man die Menschwerdung und stellt den Energiestoffwechsel der frühen Jäger und Sammler dem heutigen hochkalorischen Nahrungsüberangebot bei überwiegend sitzenden Tätigkeiten gegenüber, wird schnell klar, dass unsere genetischen Startbedingungen nicht für die heutige Lebensführung gemacht sind. Die Folgen sind gravierend: Übergewicht, Adipositas und Folgeerkrankungen.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Adipositas als die Anhäufung von übermäßigem Fett im Körper. Die Hauptursachen sind veränderte Ernährungsgewohnheiten und Lebensstile. Fast jeder fünfte Deutsche ist übergewichtig und hat damit ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes, Fettleber, Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs. Manche Menschen sind dafür besonders empfänglich. Bereits im Mutterleib können lebenslange Risikoneigungen begründet werden. Auch wirtschaftlich ist das Übergewicht mit Gesundheitskosten im Milliardenbereich längst ein Faktor geworden.

Die Mechanismen der Entstehung und Behandlung von Adipositas zu erforschen, ist seit vielen Jahren ein ausgezeichneter Schwerpunkt der universitären Forschung in Leipzig. Es besteht eine vielfältigeinterdisziplinäre Forschungslandschaft, die sich dem Erkrankungskomplex widmet. Dazu zählen sehr unterschiedliche Faktoren wie Gene, Umwelteinflüsse, Stoffwechsel, die Rolle von Bauchfett, Geschlecht oder Esskultur, die psychische Gesundheit und vieles mehr.

Das Vorhaben Leipzig Center of Metabolism (LeiCeM) ist ein klinisch orientiertes Forschungszentrum, das nicht nur die metabolische Gesundheit verstehen und verbessern, sondern auch wirksame therapeutische Ansätze entwickeln will. Dafür besteht ein Zusammenschluss von Leipziger Hochschulmedizin, Max-Planck-Institut(en), Helmholtz Institut(en), Herzzentrum und der Ben-Gurion-Universität des Negev (Israel). Anstatt einzelne Risikofaktoren zu behandeln, führt der Weg über die Analyse individueller Stoffwechselverläufe.

Die zugrunde liegende Pathologie ist sehr komplex und heterogen. Aspekte der individuellen Pathologien werden in die Entwicklung neuer Therapien einbezogen. Ein Aspekt, der von der Pharmaindustrie bislang vernachlässigt wird. Zu diesem Zweck wird LeiCeM eine wissenschaftliche Plattform bereitstellen, um die individuelle Veranlagung, die molekulare Pathophysiologie und die Stoffwechselverläufe zu ermitteln.

Cluster-Sprecher: Prof. Dr. Michael Stumvoll, Endokrinologe, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig

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Prof. Dr. Michael Stumvoll stellte das klinische Forschungszentrum "Leipzig Center of Metabolism" vor. Foto: Christian Hüller

Klimawandel und Biodiversität

Der Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt sind zwei der dringendsten Krisen der Menschheit. Sie verstärken sich zudem gegenseitig: Klimawandel führt zu Biodiversitätsverlust, dieser wiederum verstärkt die Klimaauswirkungen. Lösungsansätze müssen also die komplexe Verflechtung der beiden Krisen berücksichtigen. Das haben auch der Weltklimarat und der Weltbiodiversitätsrat verstanden und sehen es als zukunftsweisendes Forschungsfeld.

Die Verflechtung von Klima und Biodiversität wird durch die Vorstellung symbolisiert, dass die Natur atmet: Energie, Wasser, Gase und Partikel werden kontinuierlich zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre ausgetauscht. Die biologische Vielfalt beeinflusst die Prozesse, die den Austausch und damit das Klimasystem steuern, während sie selbst stark vom Klima beeinflusst wird. Außerdem sind Biodiversitäts- und Klimawandel mit der Gesellschaft verbunden: direkt durch Landnutzung oder Energieerzeugung, indirekt durch unsere marktorientierte Wirtschaft und die Reaktionen der Menschen auf globale Umweltkrisen.

Breathing Nature ist ein Zusammenschluss aus sieben, in den relevanten Disziplinen führenden Forschungseinrichtungen in Mitteldeutschland. Ihre interdisziplinäre Spitzenforschung ist aufgeteilt in drei Forschungsbereiche, die die zugrundeliegenden Mechanismen eingehend untersuchen und dabei auch die starke Wechselwirkung mit dem menschlichen Verhalten berücksichtigen.

  • Wie sind Biodiversitäts- und Klimawandel verzahnt? Hier gilt es, Zusammenhänge zu entdecken, zu messen und zu modellieren.
  • Wie verhalten sich Einzelpersonen und Gruppen in diesen Zusammenhängen und was wollen sie gemeinsam ändern? Hier gilt es, Verantwortung aufzuzeigen und Handlungsmöglichkeiten auszuloten, zum Beispiel umweltfreundliches Verhalten, Konsum, politische Akzeptanz, Konflikte zwischen Gruppen. Welchen Unterschied machen ihre Aktivitäten und wie können die alternativen Handlungsoptionen am besten modelliert und kommuniziert werden? Wie können Märkte und wirtschaftliche Rahmenbedingungen gestaltet werden, um zu einer nachhaltigen Nutzung der Natur beizutragen?
  • Wie lassen sich Biodiversität und Klima zum Nutzen von Menschen bewahren? Hier gilt es, Szenarien für alternative Zukunftsperspektiven für Mensch und Natur zu entwerfen, beispielsweise durch die Analyse neuer Landnutzungskonzepte und die Entwicklung innovativer Modelle. Breathing Nature wird die transformativen Veränderungen in der Landbewirtschaftung durch einen umfassenden interdisziplinären Ansatz untersuchen.

Eine Forschungsplattform wird die Ergebnisse über flexible Finanzierungsmechanismen und die Entwicklung von Synergien zwischen den experimentellen, beobachtenden und modellierenden Fähigkeiten zusammenführen. Moderne Big-Data-Analysen, Computersimulationen und künstliche Intelligenz in Verbindung mit quantitativen Verhaltensdaten werden die Erkenntnisse vorantreiben. Der Wissenstransfer in die breite Öffentlichkeit wird dabei als eine Schlüsselkomponente für eine langfristig Wirkung besonders bedacht und verfolgt.

Cluster-Sprecher: Prof. Dr. Johannes Quaas, Meteorologe, Fakultät für Physik und Geowissenschaften

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Prof. Dr. Johannes Quaas erläutert das Projekt "Breathing Nature". Foto: Christian Hüller

Herausforderungen der Globalisierung

Vor dem Hintergrund zahlreicher unterschiedlicher Krisen in den letzten Jahrzehnten, die Individuen, Gruppen, Gesellschaften und Staaten auf der ganzen Welt betroffen haben, hat sich der zusammenfassende Begriff einer "Multikrise" herausgebildet. Kriege, Pandemien, Umweltkatastrophen – wie gehen wir mit der globalen Multikrise um? Vier Dynamiken stehen dabei in einem hochkomplexen Wechselspiel: politische und ökonomische Raumordnungen, soziale Ordnungen (Zugehörigkeit und Fremdheit als zentrale Merkmale des sozialen Zusammenhalts), epistemische Ordnungen, also die Konkurrenz von Kulturen, Ideologien und Religionen sowie schließlich Mensch-Natur-Verhältnisse.

Um alle Dynamiken angemessen zu verstehen und analysieren zu können, sind neue Formen der Wissensproduktion erforderlich, die New Global Dynamics umsetzen will. So weltumspannend die Ausgangsfrage ist, so vielfältig sind auch die beteiligten Institutionen: neben den Universitäten in Leipzig und Halle beiteiligen sich Max-Planck- und Leibniz-Institute, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und das Simon-Dubnow-Institut.

Der Forschungsverbund untersucht die neu entstandenen globalen Dynamiken, die den Krisen zugrunde liegen und die aus der Wechselwirkung von Strukturwandel und multiplen Globalisierungsprojekten folgen. Er stellt die Zusammenhänge außerdem in eine historisch-vergleichende Perspektive. Damit wird auf ein sich gegenwärtig ausbreitendes Zäsurbewusstsein reagiert, das sich in der Idee einer Multikrise beziehungsweise einer einzigartigen Kaskade krisenhafter Herausforderungen niederschlägt.

Die Leitfragen des Clusters sind:

  • Wie nehmen verschiedene Akteure aus unterschiedlichen Weltregionen ihre Welt in der Krise wahr, welche Vorstellungen und Perspektiven nehmen sie an, um ihre Krisenerfahrungen zu interpretieren, und wie wird die Diagnose einer Krise gestellt, erreicht und aufgenommen?
  • Welche Impulse für Strukturwandel und Globalisierungsprojekte sind in diesen Krisenerfahrungen am Werk und wie konvergieren und divergieren sie?
  • Wie verändert die Diagnose der globalen Gegenwartsdynamik den Blick auf die historischen Vorläufer, und wie muss die Menschheitsgeschichte im Lichte dieser Diagnosen neu geschrieben werden?

Das Endziel ist eine Gesellschaftstheorie, die auf einer umfassenden und vergleichenden Analyse von New Global Dynamics basiert, zusammen mit ihrer Verankerung in einer neuen Geschichte der Menschheit, die sich auf die Herausforderungen des Anthropozäns konzentriert.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine School for New Global Dynamics eingerichtet, die eine interdisziplinäre Doktorandenausbildung und forschungsorientierte Masterprogramme anbietet. Es wird außerdem eine Plattform geschaffen, um im Alltag über die Grenzen der Disziplinen hinweg zu arbeiten, ihre Ergebnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen, im gesellschaftlichen Gespräch weiterzuentwickeln und Politikempfehlungen auszusprechen. Im Fokus stehen außerdem Anbindung an andere globale Forschungszentren.

Cluster-Sprecher: Prof. Dr. Matthias Middell, Globalisierungsforscher, Forschungszentrum Global Dynamics, Universität Leipzig

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Prof. Dr. Matthias Middell spricht über neue globale Dynamiken - Welten in der Krise? Foto: Christian Hüller