Die Wirkstoffe der Medikamente, die in Apotheken verkauft werden, sind kohlenstoffreiche, sogenannte organische Moleküle. Diese meisten Wirkstoffe beeinflussen die Funktion von Eiweißmolekülen, sogenannten Proteinen, im menschlichen Körper. "Die derzeitig im Handel befindlichen Wirkstoffe können jedoch nur einen kleinen Teil aller menschlichen Proteine in ihrer Funktion beeinflussen," erläutert Berg. "Die meisten menschlichen Proteine sind nie als Zielstrukturen für Wirkstoffe in Betracht gezogen worden, weil sie der Pharmaindustrie als zu schwierig gelten."
Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Berg befassen sich mit der Entwicklung von Methoden für die Erschließung der "schwierigen Fälle", das heißt der bislang nicht pharmakologisch beeinflussten menschlichen Proteine als Angriffspunkte für zukünftige Wirkstoffe. Der vielversprechendste Weg dorthin sei die Unterdrückung der Bindung von Proteinen aneinander, erklärt Berg. Schwierig sei jedoch die Entwicklung von Molekülen mit sehr gezielter Wirkung. "Eine Wirkung haben viele Substanzen. Die besondere Herausforderung liegt darin, gezielt die Bindungseigenschaften von nur einem einzigen Protein zu beeinflussen."
Zusammen mit den Koautoren der neuen Studie - den Forschern Nagarajan Elumalai, Angela Berg, Kalaiselvi Natarajan und Andrej Scharow von der Universität Leipzig - ist Berg dem gesteckten Ziel nun ein gutes Stück näher gekommen. Die Wissenschaftler konnten mit organischen Molekülen ganz gezielt die Bindungseigenschaften eines menschlichen Proteins beeinflussen, von dem ein "fast" eineiiges Zwillingsprotein existiert. Letzteres wird jedoch trotz seiner großen Ähnlichkeit nicht von den Substanzen gehemmt. Dass das gehemmte Protein ein Angriffspunkt für die Krebstherapie ist, macht die Substanzen für die biomedizinische Forschung interessant. "Unsere Ergebnisse belegen die Möglichkeit, wirkstoffartige Moleküle auch gegen solche Proteine zu entwickeln, die bislang nicht als Angriffspunkte für Pharmazeutika genutzt werden. Dadurch ergeben sich perspektivisch vielfältige Möglichkeiten zur Behandlung menschlicher Krankheiten, wenngleich die von uns entwickelten Substanzen natürlich keine Medikamente sind", betont Berg.
Fachveröffentlichung:
Nanomolar Inhibitors of the Transcription Factor STAT5b with High Selectivity over STAT5a, in Angewandte Chemie
doi: 10.1002/ange.201410672