Pressemitteilung 2003/202 vom

Netzwerk der Suchtkrankenhilfe plant gemeinsam mit der Kinderklinik der Universität Leipzig weitere Symposien zum Thema Drogen.

Gerade mal neun Jahre alt war der kleine Kerl, der bewusstlos in die Kinderklinik der Universität Leipzig eingeliefert wurde - vollgepumpt mit Whisky, zum Trinken angestachelt durch den eigenen Vater. "Solch dramatische Fälle sind glücklicherweise selten", so Professor Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik. "Aber die Kinder, die Drogen nehmen und dann in unserer Intensivtherapie landen, werden immer jünger. Dabei geht es nicht nur um die sogenannten harten, illegalen Drogen. Die von der Gesellschaft weitestgehend tolerierten legalen Suchtmittel wie Alkohol und Zigaretten spielen eine immer größere Rolle im Alltag der Kinder und Jugendlichen. Sehnsucht und Sucht, Genuss und Missbrauch rücken offenbar immer näher zusammen."

Die Vereinten Nationen bestimmten den 26. Juni als Internationalen Tag gegen den Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr. Auch aus Deutschland sind Alarmsignale zu hören: In der Bundesrepublik benötigen rund 300.000 Kinder und Jugendliche dringend eine Therapie, um von ihren Abhängigkeiten wegzukommen. Rund 70 Prozent der deutschen Schüler haben Erfahrungen mit Zigaretten, jeder Vierte raucht täglich. "Mindestens ein Viertel aller Kinder hat schon vor dem 12. Geburtstag Alkohol getrunken", so Prof. Kiess. "Ein Fünftel hat mit sechzehn oder früher mit dem regelmäßigen Rauchen angefangen. Etwa vier Prozent der 16- bis 24-Jährigen konsumiert regelmäßig betäubungsmittelgesetzlich registrierte Substanzen."

Interessante Fakten hat auch das Gemeinsame Giftinformationszentrum (GGIZ) der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen in Erfurt zusammengetragen. Telefonisch wird hier auch zu Drogennotfällen beraten. Amphetamine, darunter Ecstasy und Crystal, lösen die häufigsten Notfallanfragen aus, gefolgt von Canabis. Die Anfragestatistik belegt aber noch einen neuen Trend: Notfälle infolge des Missbrauchs von Pflanzen (Nachtschattengewächsen) und Pilzen durch 14- bis 18-Jährige nehmen überproportional zu.

Noch zu wenig im öffentlichen Bewusstsein ist der Medikamentenkonsum durch Kinder und Jugendliche. Untersuchungen an Bremer Schulen erbrachten, dass über 60 Prozent der 14-Jährigen Arzneimittel nehmen. Ähnliche Studien gehen davon aus, dass 36 Prozent der Eltern bereit sind, Schulschwierigkeiten ihrer Kinder medikamentös behandeln zu lassen. Damit wird schon im Kindesalter eine Problemlösungsstrategie eingeübt, die verhängnisvoll enden kann.

Den Kinderärzten und den psychosozialen Helfern tritt die Problematik als ein kompliziertes Geflecht entgegen. Neben der Gier nach "harten" und "weichen" Drogen ergreifen noch andere Süchte von nicht wenigen Mädchen und Jungen Besitz: Fernsehsucht, Spielsucht, Computersucht...

Wenn Kinder und Jugendliche in die Kinderklinik der Universität eingeliefert werden, die Drogen genommen haben oder an den Auswirkungen einer anderen Sucht leiden, dann geht es unter anderem darum, zu ihnen vorzudringen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ein Erfolg ist dann schon, wenn sie sich für eine der angebotenen Therapien öffnen. Damit sich alle Helfer wechselseitig besser unterstützen können, engagiert sich die Kinderklinik der Universität für die von der Stadt Leipzig regelmäßig veranstalteten Symposien für Pädagogen, Sozialarbeiter, Ärzte, Psychologen und Eltern.

Zu den Forschungsprojekten die derzeit an der Universitätskinderklinik laufen, zählt eine Studie zur Entgiftung von Neugeborenen drogensüchtiger Mütter. Sie soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden und Anregungen für eine noch effektivere Betreuung der Babys geben.