Pressemitteilung 2017/197 vom

Knapp ein Drittel der Deutschen sorgt sich vor dem Abstieg - das ist der niedrigste gemessene Wert seit der Wiedervereinigung. Diese neuen Erkenntnisse hat Prof. Dr. Holger Lengfeld, Leiter des Instituts für Soziologie der Universität Leipzig, aus der jährlichen Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels gewonnen. Die Daten könnten zudem einen Vorgeschmack auf den Ausgang der anstehenden Bundestagswahl geben.

Seit vielen Jahren wird in Politik, Medien und Wissenschaft über die Angst vor dem sozialen Abstieg debattiert. Doch seit dem Beginn der Debatte vor etwa zehn Jahren haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland verändert, die Angst vor dem sozialen Abstieg ist kleiner geworden. "Der wichtigste Indikator für Abstiegsangst ist die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes", erläutert Prof. Dr. Holger Lengfeld, der diesen Faktor seit vielen Jahren untersucht und beobachtet. "Seit 2006 jedoch hat sich die Zahl der Erwerbstätigen, die sich vor Abstieg sorgen, nahezu halbiert. Bis 2016 ist ihr Anteil von 64 Prozent auf etwas über 33 Prozent gesunken. Damit hat die Abstiegsangst den niedrigsten Wert seit Beginn der Beobachtungen im wiedervereinigten Deutschland erreicht."

Das liegt auch am stärkeren Rückgang der Sorgen in Ostdeutschland. Zwar ist das Niveau der Sorgen dort noch etwas höher als im Westen. Jedoch war der Rückgang im Osten Deutschlands in den vergangenen zehn Jahren größer als im Westen. Dafür gibt es aus Sicht des Wissenschaftlers zwei Gründe: Zum einen sind die Unsicherheiten in Bezug auf den eigenen Job nicht weiter gestiegen - im Gegenteil, sie gehen teilweise sogar zurück. Zum anderen haben die Erwerbstätigen auch einen neuen Umgang mit Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt erlernt.

Hinsichtlich verschiedener sozialer Gruppen zeigte die Analyse, dass bei Frauen und Männern sowie in verschiedenen Altersgruppen und sozialen Schichten gleichermaßen die Angst vor dem Abstieg zurückgegangen ist. "Dies zeigt: Das mentale Sicherheitsgefühl nahm, trotz objektiv weiter existierender Erwerbsrisiken und Ungleichheiten, bei allen Erwerbstätigen zu", sagt Prof. Dr. Holger Lengfeld.

Die Daten könnten laut Lengfeld einen Vorgeschmack auf den Ausgang der bevorstehenden Bundestagswahl geben. Zwar lassen sich Wahlprognosen nicht allein auf der Basis von sozio-ökonomischen Entwicklungen zuverlässig stellen. Folgt man dennoch der Annahme, dass die Abwahl einer Regierung auch durch die Angst vor dem Abstieg bestimmt sein kann, so lässt sich aus der jüngsten Entwicklung schließen: Das 2016 historisch niedrige Niveau an Abstiegsangst deutet nicht auf eine Abwahl der Großen Koalition hin.

Basis der Analysen sind Umfragedaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für die Jahre 1991 bis 2016 mit Angaben von über 45.000 Erwerbstätigen.