Seit ihrer Auffindung am 14. Januar 1506 gilt die Laokoon-Gruppe als eines der berühmtesten Werke antiker Skulptur. Im griechischen Mythos ist der grauenvolle Tod des Apollon-Priesters Laokoon und seiner beiden Söhne das erste Zeichen des nahenden Untergangs von Troia. Vom langen Kriege erschöpft griffen die Griechen zu einer List und errichteten als Gelübde für ihre vorgetäuschte Heimkehr ein hölzernes Pferd. Als Laokoon die Troianer vor dem Tier warnte, griff Athena zugunsten der Griechen ein und schickte zwei Schlangen, die Laokoon und seine Söhne packten und zermalmten. Die Troianer sahen den Tod des Laokoon als Buße für seinen Frevel, durchbrachen die Mauer und brachten das Pferd mit den darin versteckten Griechen in ihre Stadt.
Der zwischen 1840 und 1859 für die Leipziger Lehr- und Studiensammlung antiker Kunst erworbene Abguss der Laokoon-Gruppe war zuletzt bis 1968 im ehemaligen Antikenmuseum im Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz ausgestellt. Nach der Schließung des Museums im Zusammenhang mit der Sprengung der Universitätsbauten zählte die Gruppe zu den Abgüssen, die gerettet und bis 1999 in einem ehemaligen Kohlenbunker magaziniert wurden. Im Zuge des schrittweisen Neuaufbaus der Abgusssammlung wurden in den letzten Jahren wiederholt großformatige Abgüsse restauriert und, wie zuletzt die "Sterbenden Gallier" in der Universitätsbibliothek Bibliotheca Albertina, zu Lehr- und Studienzwecken und für Ausstellungen wiederhergestellt und zugänglich gemacht. Als Leihgabe für eine Gemeinschaftssausstellung mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig konnte jetzt auch der Abguss der berühmten Laokoon-Gruppe von dem Berliner Restaurator Bernhard Gutmann restauriert werden.
Durch den Vergleich des Leipziger Abgusses mit dem Original im Vatikan und mit anderen Gipsabgüssen wurde eine überraschende Beobachtung zu dessen Herkunft gemacht, die mit der langen Restaurierungs- und Wirkungsgeschichte der Gruppe verbunden ist. So wurde der rechte Arm des Laokoon im Jahre 1532 durch einen Schüler Michelangelos, Giovanni Angelo Montorsoli, in einer pathetischen Gebärde hoch ausgestreckt ergänzt. Diese falsche Ergänzung prägte bis 1957 die Wirkung der originalen Gruppe. Anlässlich einer Neurestaurierung wurde sie 1957/60 abgenommen und durch das 1905 wiederentdeckte originale, stark angewinkelte Armfragment des Laokoon ersetzt. Der ausgestreckte rechte Arm des Laokoon in Leipzig kann aufgrund von Abweichungen nicht auf die berühmte Restaurierung Montorsolis zurückgehen. Vermutlich wurde der Leipziger Abguss zwischen 1800 und 1815 angefertigt oder später nach Formen aus dieser Zeit abgenommen, als sich die Laokoon-Gruppe als Kriegsbeute und Siegestrophäe Napoleons in Paris befand. Die von Montorsoli ausgeführte Ergänzung verblieb in Rom, so dass für die Aufstellung im Louvre eine neue Vervollständigung mit erhobenem Arm vorgenommen wurde. Nach Italien zurückgekehrt, erhielt Laokoon schließlich die alte Ergänzung Montorsolis wieder zurück. Der Leipziger Abguss könnte damit zu der sehr seltenen, heute wohl nur noch in zwei weiteren Abgüssen (Bonn und Lyon) überlieferten Abformung aus der Zeit des "Pariser Exils" der Laokoon-Gruppe zählen.