Pressemitteilung I2023/001 vom

Derzeit könnten mehr als 1.000 Gefäßpflanzen in Nigeria noch unbeschrieben sein - was es wiederum unmöglich macht zu wissen, ob diese Pflanzen gefährdet sind und besondere Schutzmaßnahmen benötigen. Das ist eines der Hauptergebnisse einer neuen Studie, die unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig erstellt und im Fachjournal "Annals of Botany" veröffentlicht wurde. Um die Ziele des Übereinkommens für biologische Vielfalt (CBD) zu erreichen, sind dringende Maßnahmen erforderlich, die lokale taxonomische Aktivitäten fördern.

Afrika zählt zu den artenreichsten Regionen der Erde und beherbergt ein Viertel der weltweiten biologischen Vielfalt, darunter viele endemische und gefährdete Arten. Auf dem Kontinent befinden sich 8 der weltweit 34 Biodiversitätshotspots – einer davon ist der Mangrovenwald im Nigerdelta in Nigeria. Das Land beherbergt mehr als 4.700 Gefäßpflanzen – und vermutlich noch weitaus mehr Arten, die bisher nicht dokumentiert wurden. „Eine umfassende Dokumentation der pflanzlichen Vielfalt ist wichtig für den Schutz bedrohter Arten. Nur so können wir sicherstellen, dass sie auch in Zukunft für uns Menschen zur Verfügung stehen, und entsprechende Maßnahmen ergreifen, bevor sie aussterben“, sagt Letztautorin Prof. Dr. Alexandra Muellner-Riehl von der Universität Leipzig, die zudem iDiv-Mitglied ist.

Ein Forschungsteam unter Leitung von iDiv und der Universität Leipzig wollte sich daher einen aktuellen Überblick über die Datenlage zur Artenvielfalt in Nigeria verschaffen. Damit leisteten sie außerdem einen Beitrag zu pflanzenartbezogenen Indikatoren im Zusammenhang mit dem Globalen Biodiversitätsrahmen der CBD. Diese Übereinkunft fordert dringende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Biodiversität bis 2030 zum Wohle der Menschen und der Umwelt. Ein wichtiger Bestandteil des Abkommens, das 2022 in Montreal geschlossen wurde, ist das Ziel, bis 2050 die Aussterbe- und Risikorate von Arten zehnfach zu reduzieren. Zahlreiche internationale Organisationen, wie die Weltnaturschutzunion (IUCN), fordern verstärkte Bemühungen zur Beschreibung von Arten, um die biologische Vielfalt besser verstehen und schützen zu können.

Um mehr über diesen Prozess in Nigeria herauszufinden, untersuchten die Wissenschaftler:innen, wie viele neue Arten pro Jahr zwischen 1753 und 2020 beschrieben wurden. Unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien erstellten sie dann Vorhersagen zu zukünftigen Artbeschreibungen bis 2070. Sie fanden heraus, dass, basierend auf dem aktuellen Stand der taxonomischen Aktivitäten, mehr als 1.000 Gefäßpflanzen in dem westafrikanischen Land noch unbeschrieben sein könnten. Daraus ergibt sich für Nigeria eine ungefähre Zunahme von 20 Prozent an anerkannten Gefäßpflanzenarten in den nächsten 50 Jahren. „Um den prognostizierten Wert von 1.140 Arten bis 2.070 zu erreichen, müsste jeder der Taxonominnen und Taxonomen, die seit dem Jahr 2000 in Nigeria tätig waren, jährlich mindestens zwei neue Arten beschreiben“, sagt Prof. Dr. Abubakar Bello, Erstautor der Studie. „Allerdings sind 90 Prozent dieser Personen Nichtansässige, die mittlerweile gar nicht mehr im Land arbeiten. Ohne weitere Maßnahmen lässt sich das Ziel somit nicht erreichen.“

Aus diesem Grund sind dringende Maßnahmen erforderlich, die in Nigeria und weiteren Entwicklungsländern im tropischen Afrika dazu beitragen, diese taxonomische Herausforderung zu meistern. Nur so lassen sich die Erwartungen erfüllen, die in den Verpflichtungen der Länder zur Vision des Globalen Biodiversitätsrahmens der CBD für 2050 festgelegt sind. Die Wissenschaftler:innen skizzieren zudem mehrere Schlüsselwege, um dieses Ziel zu erreichen, die auch in anderen tropischen afrikanischen Ländern angewendet werden könnten. Dazu zählen die Schaffung zusätzlicher finanzieller Fördermechanismen, die Investition in Bildung und Ausbildung, die Förderung von Partnerschaften und öffentlichem Engagement sowie die Anerkennung lokaler Expertise.
Diese Forschung wurde durch iDivs Flexpool unterstützt, der mit einer Förderlinie Anträge fördert, die auf den Aufbau von Kapazitäten insbesondere in wissenschaftlich unterrepräsentierten Regionen abzielen. Diese Förderlinie wurde durch iDivs Komitee zur Internationalisierung und dem Kapazitätsaufbau initiiert.

Originalpublikation in "Annals of Botany":
"Trends in botanical exploration in Nigeria forecast over 1000 yet undescribed vascular plant species", DOI: 10.1093/aob/mcad106