Pressemitteilung 1999/001 vom

Seit Dezember 1988 steht sie allen Krankenschwestern und Krankenpflegern des Universitätsklinikums Leipzig vor. Das sind über 1.500 Frauen und Männer, die in der Krankenpflege, als OP-Schwestern, Anästhesieschwestern, Hebammen oder im Zivildienst tätig sind. Auch die rund 150 Auszubildenden der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege bzw. der Geburtshilfe sind ihrer Obhut anvertraut.

"Sie" ist Diplom-Krankenschwester Marlies Friedrich, die von der Pike auf den Weg zur Pflegedienstdirektorin gegangen ist und seitdem die zahlenmäßig größte Gruppe am Universitätsklinikum Leipzig leitet.

Die blonde, kleine und flinke Frau hat es in sich. Ihr kann keiner so leicht etwas vormachen. Sie kennt sich aus im Alltag einer Krankenschwester, sie weiß, was von einer OP-Schwester verlangt wird, hat sie doch selbst am Krankenbett gestanden und viele Jahre im Operationssaal gearbeitet. Sie macht keine großen Worte, aber was sie sagt, hat Hand und Fuß. Sie ist nicht gerade gefürchtet, aber man hat Respekt vor ihr. Das gilt nicht nur für ihre "Untergebenen", sondern auch für Klinikdirektoren.

Die 57-jährige Marlies Friedrich hatte im Dezember 1988 ihre Arbeit als Oberin nicht mit der Vorstellung angetreten, das nun alles anders werden müßte. Dazu hatte sie selbst viel zu lange im "Metier" gearbeitet. Aber sie trat ihre Arbeit mit Idealen an, denen sie bis heute treu geblieben ist. Diese Ideale hat sie in der Pflegephilosophie des Universitätsklinikums Leipzig niedergelegt.

Den kranken Menschen in den Mittelpunkt des Bemühen und Handelns zu stellen, ist der Ausgangspunkt ihrer Philosophie. Das bedeutet den Kranken in seiner Ganzheitlichkeit zu sehen, nicht etwa als "Galle" oder "Leber" nach dem Organ, das erkrankt ist. Dabei kommt der Kommunikation mit dem Patienten und seinen Angehörigen eine besondere Rolle zu. Die Oberin weiß, dass das im Stationsalltag nicht immer leicht ist. Die "materielle" Seite der Pflege wie Verbandwechsel, spritzen, waschen usw. beanspruchen eine Schwester sehr und werden sie mit zunehmender Personalknappheit mehr beanspruchen. Dennoch wird sie von dem Grundsatz nicht abgehen, weil sie weiß, dass die emotionale Zuwendung für den Patienten ebenso wichtig ist wie die rein physische Seite.

Natürlich räumt sie auch dieser ihre Bedeutung ein. Die neuesten Erkenntnisse des Pflegeprozesses werden gefordert, denen sie mit dem Angebot eines umfangreichen Fort- und Weiterbildungsprogramms gerecht werden will. Darin sieht sie die Grundlage dafür, dass die Krankenschwester ökonomisch und ökologisch sinnvoll arbeiten kann. Ausflüchte akzeptiert sie nicht, wohl aber berechtigte Beschwerden und Vorschläge.

Bereits in der Ausbildung der zukünftigen Krankenschwestern und -pfleger achtet sie darauf, dass diese Grundsätze den Einzelnen in Fleisch und Blut übergehen. Sie unterrichtet in praktisch orientierten Fächern selbst an der Medizinischen Berufsfachschule des Universitätsklinikums Leipzig und achtet schon bei der Auswahl der Schüler darauf, dass nicht die Aussicht auf einen krisensicheren Arbeitsplatz oder eine angestrebte Karriere - vielleicht zum Pflegedienstdirektor - die Berufswahl bestimmen. Traurig macht sie dabei, dass keineswegs mehr alle gutausgebildeten Absolventen der Berufsfachschule am Uni-Klinikum angestellt werden können. Die allgemeinen Einsparungsmaßnahmen treffen auch den Pflegestand.

Man sollte meinen, Marlies Friedrich wäre mit all dem Genannten vollkommen ausgelastet, doch man irrt sich. Sie trägt Sorge um die Geschicke des gesamten Klinikums. Als Direktoriumsmitglied, dem außer ihr der Verwaltungsdirektor, der Ärztliche Direktor und der Dekan angehören, bringt sie die Interessen ihrer Berufsgruppe ein und ihre Vorstellungen von einem gut funktionierenden Universitätsklinikum. Sie arbeitet in Gremien wie der Baukommission oder der Transfusionskommission mit, und nimmt so Teil am gesamten Klinikgeschehen. Ganz nebenbei trägt sie durch ihr Engagement auch zur weiteren Anerkennung des Pflegeberufes bei, dem in ihren Augen noch nicht immer der Wert beigemessen wird, der ihm zukommt.

Über die Klinik hinaus wirkt sie im Arbeitskreis der Pflegedienstdirektoren der Universitätskliniken Deutschlands mit, hier besonders in der Arbeitsgemeinschaft zur Entwicklung eines Pflegestandards zur Qualitätssicherung. Im Mai nächsten Jahres holt sie die jährliche Tagung der Pflegedienstdirektoren nach Leipzig, auf der aktuelle Fragen der Pflege auf der Tagesordnung stehen.

Gegenwärtig beschäftigt sich Marlies Friedrich besonders mit der geplanten Rechtsformänderung der Universitätskliniken in Deutschland, insbesondere natürlich in Leipzig. Das wohl größte Problem für sie ist im Moment die Unruhe unter den Beschäftigten, die zwangsläufig damit verbunden ist. Auf den einzelnen Stationen würde viel diskutiert und es ist für die Pflegedienstdirektorin und die ihr unterstellten Oberschwestern schwierig, jeden Tag aufs Neue die Arbeitsmotivation zu erhalten.

Aber die Oberin ist eine Kämpfernatur. Sie sagt, dass es in den letzten Jahren enormer Anstrengungen bedurfte, immer wieder neue Dinge durchzubringen, den Überblick zu behalten und dennoch den Kontakt zu den Menschen um sie herum nicht zu verlieren. Und was sie zum Abschluss sagt, ist bezeichnend für sie: "Bei allem leisteten und leisten unsere Schwestern Erstaunliches. Das verdient unsere Hochachtung und unseren Respekt."