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Gutes Essen, ausreichend Schlaf oder ein besonderes Erlebnis mit der Familie – es gibt viele Anlässe, um Glück zu empfinden. Aber was genau ist Glück? Kann man es halten? Wer empfindet mehr davon, wer weniger? Arbeitspsychologe Prof. Dr. Hannes Zacher hat sich intensiv mit dieser Thematik befasst und tauscht sich dazu am 29. April auf der Leipziger Buchmesse beim Forum UNIBUND (Halle 2) mit dem Theologen Prof. Dr. Rochus Leonhardt aus. Im Interview beantwortet Zacher Fragen rund ums Glück aus wissenschaftlicher und menschlicher Sicht.

Herr Professor Zacher, wie definieren Sie persönlich und als Psychologe Glück?

In der Wissenschaft nennen wir das subjektives Wohlbefinden und unterteilen es in zwei Komponenten: das hedonistische Wohlbefinden, bei dem man Freude und Zufriedenheit erlebt, und das eudaimonische Wohlbefinden. Das ist das Sinnerleben. Dazu gehört das Gefühl, dass man sich weiterentwickelt im Leben, dass man zufriedenstellende Beziehungen führt, sich selbst als unabhängig empfindet und sich selbst akzeptiert. Man hat das Gefühl, einen Sinn im Leben zu haben und etwas bewirken zu können. Viele erleben das auch als etwas Positives.

Ich selbst empfinde Glück als ein Gefühl der Zufriedenheit und Freude, wenn ich etwas Schönes erlebt habe. Für mich ist es auch sehr wichtig, dass ich mein Leben als sinnvoll empfinde. Das ist aber nicht immer mit Freude verbunden. Ein Beispiel: Wenn ich das Wochenende mit meinen vier Kindern zwischen zwei und elf Jahren verbringe, dann herrscht nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Und trotzdem empfinde ich das als Glück. Das lässt auch negative Emotionen zu und ist bereichernd. Meine Familie ist sinnstiftend in meinem Leben. Auch im Arbeitsleben erlebe ich Erfolge und Misserfolge. Ich habe insgesamt das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.

Familie und Arbeit sind wichtige Domänen, in denen wir Glück empfinden. Ebenso können ehrenamtliches Engagement, Sport und Treffen mit Freunden Quellen des Glücks sein. Es gibt also die äußeren Einflussfaktoren wie andere Menschen und die inneren Faktoren wie die eigene Persönlichkeit und die Ziele, die man sich selbst im Leben setzt. Wir wissen aber auch: Das Glück ist sehr flüchtig. Gefühle wie Freude und Zufriedenheit sind momentan und schwanken über die Zeit. Man kann aber auch zurückblicken auf eine längere Phase und sagen: In der Zeit war ich insgesamt eher glücklich.

Warum sind ältere Menschen oftmals zufriedener als jüngere?

Das nennt man das Glücksparadox des Alterns. Obwohl gesundheitliche Probleme zunehmen und die Zeitperspektive schwindet, sind ältere Menschen oft glücklicher als jüngere. Das liegt daran, dass sie sich eher auf den Moment und das fokussieren, was gerade positiv in ihrem Leben ist wie enge Familienbande. Negatives wird eher vermieden oder ausgeblendet. Das ist eine mehr oder weniger bewusst angewandte Strategie älterer Menschen. Jüngere Menschen mit einem weiteren Zeithorizont sind eher bereit, negative Emotionen in Kauf zu nehmen, zum Beispiel beim Studium. Das Lernen ist auch mit Anstrengungen und negativen Gefühlen verbunden. Aber jüngere Menschen investieren in die Zukunft. Ältere genießen eher den Moment und wissen aus Erfahrung, wie sie Konflikte erfolgreich lösen können. Sie haben schon viele stressige Situationen erlebt und wissen, wie sie schnell wieder positive Gefühle erleben. Deswegen ist das Wohlbefinden im Alter häufig höher.

Welche Voraussetzungen braucht man zum Glücklichsein?

Das ist sehr komplex. Da spielen viele Faktoren rein. Zum Beispiel genetische Faktoren, die eher dazu führen, dass sich ein Mensch glücklich fühlt. Extrovertierte Menschen mit vielen sozialen Kontakten sind eher glücklich, auch gewissenhafte Menschen, die sich selbstständig Ziele setzen. Es ist uns also zu einem gewissen Grad in die Wiege gelegt, ob wir eher positive oder negative Persönlichkeiten sind.

Eine Rolle spielt auch, ob wir Chancen im Leben nutzen, wie wir mit Problemen umgehen, wie gut wir unser Leben selbst steuern. Die Forschung zeigt beispielsweise, dass Menschen, die sich mit Dingen, die für sie gerade „gut genug“ sind, zufriedengeben, glücklicher sind als diejenigen, die immer das maximale aus allem herausholen wollen. Auch das weitere soziale Umfeld beeinflusst unser Glücksempfinden – gute Freundschaften, Familie, Arbeitskollegen. Personen, die in einer festen Partnerschaft leben, sind meist glücklicher als Singles. Bei Menschen mit Kindern ist es nicht so ganz klar: Wer Kinder hat, erlebt nicht mehr Freude, aber mehr Sinn.

Das hedonistische Wohlbefinden hat eher etwas mit der Evolutionsgeschichte des Menschen zu tun. Wenn wir negative Gefühle erlebten, hat uns das motiviert, aus der Höhle herauszugehen und nach Essen zu suchen. Sobald wir die Früchte gegessen haben, haben wir uns gut gefühlt. Wenn etwas Gutes passiert wie Nahrungsaufnahme oder Sex, führt das zu positiver Stimmung. Negative Stimmung bewirkt eher, dass wir uns anstrengen, um sie zu beseitigen. Sie treibt uns an. Die positiven Gefühle belohnen uns.

In der Kulturgeschichte der Menschen ist dann das Sinnerleben entstanden. Dinge wie Familie oder Erwerbsarbeit, die mit bestimmten kulturellen Werten verbunden werden, sind wichtig. Sie können uns das Gefühl von Sinn geben. Auch etwas für andere Menschen zu tun oder andere zu beschenken – das macht uns glücklich. Das ist erst entstanden, als wir als Menschen mit der Zeit unser Werte- und Normsystem aufgebaut haben. Von der Natur wurde uns mitgegeben: Ich brauche Nahrung und Schlaf – dann fühle ich mich gut. Aber andere zu beschenken, ihnen zu helfen, erleben wir als erfüllend weil es in unserer Gesellschaft als etwas wünschenswertes betrachtet wird.