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Am 16. Februar 2015 trat Prof. Dr. Birgit Dräger als erste Frau an der Spitze der Verwaltung ihr Amt als Kanzlerin der Universität Leipzig an. Acht bewegte Jahre voller interessanter Themen, herausfordernder Probleme und glücklicher Momente liegen hinter der 65-Jährigen. Mitte Februar geht sie in den Ruhestand, wird zuvor am 8. Februar noch offiziell verabschiedet. Ihr designierter Nachfolger ist Dr. Jörg Wadzack. In ihrem letzten Interview für das Universitätsmagazin zieht Birgit Dräger eine ganz eigene, persönliche Bilanz ihrer Kanzlerschaft und verrät, was sie in ihrem neuen Lebensabschnitt geplant hat.

Frau Prof. Dräger, Sie sind die erste Kanzlerin unserer Universität. Haben es Frauen in Positionen wie Ihrer schwerer als Männer? Oder haben sie in manchen Dingen sogar Vorteile?

Frauen haben in vielen Fällen andere Schwierigkeiten als Männer. Die Fähigkeit, sich in andere Situationen oder Konstellationen hineinzudenken, zum Beispiel in die der Verhandlungspartner, findet man bei Frauen häufiger als bei Männern. Das ist von Vorteil, wenn man ein breites Aufgabengebiet hat und Konflikte lösen muss. Schwierigkeiten von Frauen in Führungspositionen resultieren oft aus der ungewohnten Situation, denn noch sind sie in einer drastischen Minderheit. Hier gibt es nach wie vor Hürden, zum Beispiel bei der Akzeptanz von Beiträgen von Frauen in Gremien oder auch in der Rolle als Führungsperson. So habe ich es auch erlebt. Traditionelle Rollenbilder sind noch weit verbreitet. Universitäten haben den Anspruch, modern und an der Spitze der Bewegung sein. Sie sind es nicht immer, aber das Bemühen ist besonders wichtig. Ich habe im Laufe meiner acht Jahre als Kanzlerin gemerkt, dass sich in der Runde der bundesdeutschen Kanzler und Kanzlerinnen, die gut miteinander vernetzt sind und sich einmal jährlich treffen, einiges verändert hat. Anfangs war das überwiegend ein Männerclub, meist Juristen. Inzwischen ist es sehr viel bunter geworden. Ich habe das Gefühl, dass die Kolleg:innen das mit großer Freude begrüßen. Es ist immer noch nicht ausgeglichen, aber deutlich vielseitiger geworden, sowohl was den beruflichen Hintergrund angeht, als auch die Geschlechterverteilung.

Sie sind ja auch weiterhin aktiv, etwa als Hochschulratsmitglied der TU Ilmenau. Wird Ihr Ruhestand alles andere als ruhig?

Natürlich. Ruhe ist schön, aber ich fühle mich fit und bin gesund, und irgendwann ist man auch ausgeruht. Dann werde ich einen passenden Umfang an Aufgaben suchen und hoffentlich finden. Ich habe einige konkrete Aufgaben im Blick. Im Wesentlich sind es Ehrenämter. Die sind alle nicht tagesfüllend. Ich will mir jetzt auch kein volles Programm verabreichen.

Mit welchen Gefühlen verlassen Sie die Universität?

Mit vielen. Da ist viel Dankbarkeit, dass ich am Ende meiner Laufbahn durch einige Universitäten diese große, alte Universität von innen erleben durfte. Mit dem Bild der Universität als Schiff ist die Verwaltung der Maschinenraum. Da mitzugestalten habe ich als große Chance gesehen. Auch Zufriedenheit, weil ich einiges auf den Weg gebracht habe. Und natürlich fühle ich auch ein bisschen Trauer. Das ist normal, wenn man Abschied nimmt.

Welcher war Ihr schwerster Moment im Amt und welcher der glücklichste?

Bei den schweren Momenten fallen mir Kündigungssituationen ein. Eine einschneidende Nachricht war die vom Ende des Translationszentrums für Regenerative Medizin, TRM, in der Universität. Die Förderung des Bundesministeriums für Forschung endete 2015 recht abrupt, und in kurzer Zeit drohte über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit. Ich musste den Beschäftigten mitteilen, dass ihre Arbeitsverträge nicht verlängert würden. Und 2015 war es nicht selbstverständlich, bald wieder eine neue Stelle zu finden. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dann glücklicherweise doch in neue Positionen gekommen.

Glückliche Moment gab es viele, zum Beispiel 2015 das Engagement der Studierenden für die Geflüchteten. Die plötzliche Rekrutierung der großen Sporthalle auf dem Campus Jahnallee als Erstaufnahmeunterkunft hätte auch in Konflikten münden können. Stattdessen haben sich viele Studierende um die Geflüchteten gekümmert und unterschiedliche Angebote gemacht, gemeinsamer Sport, Spiele, Deutschlernen, Kinderunterhaltung und mehr. Obwohl die Feldbetten eng standen und keinen Rückzug oder privaten Raum in der Sporthalle zuließen, gab es in unserer Unterkunft keine Aggressionen, keine Sachbeschädigung, keine Polizeieinsätze. Ich war ausgesprochen glücklich, als ich merkte, dass das bei uns klappt und friedlich läuft. Dafür bin ich allen beteiligten Helfer:innen, auch dem Studentenwerk für unkomplizierte und ausreichende Essenversorgung, besonders aber den Studierenden, sehr dankbar.

Auch in der Corona-Pandemie nach einigen Wochen festzustellen, wir bekommen einen Minimalbetrieb hin, der anstrengend ist, aber die Fortsetzung von Forschung und Lehre ermöglicht, hat mich glücklich gemacht. Alle zeigten einen großen Willen, zusammen durch diese neuartige Krise zu kommen. Diese Zuversicht gab es, trotz teilweise sehr schwieriger Situationen für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber sie haben durchgezogen. Das fand ich klasse.

Ein feierlicher Moment – auch mit Glück – war 2017 die Eröffnung des Paulinums. Als bei der Eröffnungsfeier die neue Orgel ihr Klangspektrum hören ließ, war ich sicher, das alle Gäste von der klaren und hellen Schönheit des Raumes eingenommen waren. Einige Monate vor der Eröffnung hatte ich den beindruckenden Architekten van Eggerath getroffen und erfahren, warum sich die Glassäulenummantelung so schwierig gestaltet. Aber das Materialproblem wurde dann glücklicherweise bald gelöst.

Ich will aber auch die Genehmigung der Selbststeuerung Ende 2021 nicht außen vor lassen. Dafür haben wir so lange gearbeitet. Im November hatten wir, das Rektorat und mein damaliger Referent Torsten Loschke, per Videokonferenz den Antrag auf Selbststeuerung erläutert und verteidigt.  Wegen der Pandemie konnten wir nicht nach Dresden fahren, wie wir es eigentlich vorgezogen hätten. Wir haben vorher geübt, die Rollen verteilt. Zum Schluss, als die Bildschirme aus waren, dachte ich: Wenn das jetzt nichts wird, weiß ich auch nicht. Wir haben das gut gemacht! Und das war es dann ja auch. Das ist für mich in meiner Amtszeit ein entscheidendes Thema gewesen: zu zeigen, dass die Universität sich selbst steuert. Sie ist steuerungswillig und steuerungsfähig. Wir haben hier eine ausgezeichnete Verwaltung. Sie ist facettenreich und vielseitig. Hier arbeiten enorm motivierte, sehr kompetente und sehr unterschiedliche Leute. Aus dieser Vielfalt erwächst auch Kompetenz, die sich gut ergänzt.

Und einmal im Cockpit des HALO zu sitzen, am Boden im Hangar natürlich, aber dieses grandiose Forschungsflugzeug aus der Nähe zu sehen und hineinklettern zu können, war ein wirkliches Glücksgefühl.